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Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi

Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi

Titel: Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
Autoren: Rebecca Michéle
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Bett gegangen, aber wo war das Hausmeisterpaar? Bestimmt in der Küche, tranken ihren Kaffee und lästerten über sie, Mabel, und ihre angeblichen Fantasien. Entschlossen ging Mabel wieder nach unten und betrat die Bibliothek. Helles Morgenlicht flutete durch die hohen Fenster, und Mabel sah sich aufmerksam um. Nichts schien auf einen eventuellen Kampf hinzuweisen, der zweifelsohne stattgefunden haben musste, denn die junge Frau hatte sich sicher nicht ohne Gegenwehr erdrosseln lassen. Alle Dinge standen oder lagen an der für sie vorgesehen Stellen, auch die Teppiche waren nicht verrutscht. Mabel kniete sich vor den Kamin und tastete mit den Händen und den Augen jeden Zentimeter ab, aber sie wurde nicht fündig, auch wenn sie nicht wusste, wonach sie eigentlich suchte. Irgendein Detail, eine Kleinigkeit, die auf die Existenz der Toten hinwies, aber so lange sie auch suchte, es gab nichts zu finden. Seufzend erhob sie sich, wobei ein scharfer Schmerz durch ihr linkes Knie schoss. Arthritis –manchmal vergaß Mabel ihr Alter und dass ihr Körper nach und nach Anzeichen der Folgen ihrer jahrzehntelangen harten Arbeit zeigte. Sie ging zu der Fensterfront und schaute auf die Terrasse. Die Sonne war inzwischen aufgegangen und tauchte die Rosenrabatten in goldenes Licht. Alles war still und friedlich, überhaupt nicht so, als wäre hier kürzlich ein schreckliches Verbrechen geschehen. Aufmerksam ließ Mabel ihren Blick über die hellen Platten der Terrasse gleiten, konnte aber nichts entdecken. Sie war überzeugt, dass derjenige, der die Tote beseitigt hatte, diese über die Terrasse ins Freie geschafft haben muss. Er – oder sie? – hätte es wohl kaum gewagt, die Frau durch den Flur zu schleifen, an dessen Ende Mabel sich mit dem Hausmeisterpaar in der Küche befand. George Penrose hatte die Tür nach draußen inzwischen geschlossen, doch Mabel öffnete sie, trat auf die Terrasse und sah von außen in die Bibliothek hinein. Irgendwo musste es doch einen Anhaltspunkt geben. Sie stieß scharf die Luft aus, als sie an der unteren Metallschiene des Türrahmens etwas Dunkles erkannte. Schnell bückte sie es und wollte es aufheben, da merkte sie, dass es sich um ein Stück Stoff handelte, das sich in der scharfen Kante der Schiene verfangen hatte. Sie machte es los und befühlte das kaum handtellergroße Stück. Es war aus grobem Stoff, Leinen vermutlich, und ungefärbt – ein Stück aus dem Kleid der Toten.
    Mabels Herz begann aufgeregt zu schlagen. Sie war also weder verrückt noch senil! Das Mädchen hatte es zweifelsohne gegeben und ebenso war sie erdrosselt und ihre Leiche in der Zeit, als Mabel die Penroses zur Hilfe geholt hatte, fortgeschafft worden. Wahrscheinlich war ihr Rock an der Schiene hängen geblieben, als der Täter die Leiche nach draußen gezogen hatte. Folglich musste der Täter ganz in der Nähe gewesen sein, als Mabel die Tote entdeckt hatte. Bei dem Gedankenwurde ihr eiskalt, sie unterdrückte jedoch den Impuls, das Stoffstück den Penroses oder Abigail zu zeigen, sondern steckte es in ihre Hosentasche. Dann lief sie über die Terrasse und suchte nach Schleifspuren, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Vielleicht hatte sich der Täter die Leiche hier draußen über die Schulter gelegt? Durch den Regen der vergangenen Nacht war der schmale Rasenstreifen unterhalb der gepflasterten Terrasse aufgeweicht, und Mabel erkannte zwar mehrere Fußabdrücke, die jedoch nichts zu bedeuten hatten. Ihre eigenen würden sich hier auch finden lassen.
    „Wenn dieser Inspektor das doch nur überprüfen würde“, murmelte sie. Sie schaute auf ihre Armbanduhr. Es war jetzt fast acht, und Warden war sicher nicht wieder nach Hause, sondern direkt in sein Büro gefahren, nachdem er Higher Barton verlassen hatte. Abigail schlief wahrscheinlich wieder, und um das Hausmeisterpaar kümmerte Mabel sich nicht. Kurz entschlossen machte Mabel sich auf den Weg nach Lower Barton, der kleinen Ortschaft, die seit Jahrhunderten zum Herrensitz gehörte. In längst vergangenen Zeiten besaß der jeweilige Lord Tremaine Lower Barton ebenso wie die ganze Umgebung, und alle hier lebenden Menschen waren ihm untertan und mussten für ihn arbeiten. Mabel wusste nicht, ob Wardens Büro sich in Lower Barton oder in Liskeard befand, aber die örtliche Polizei würde ihr sagen können, wo sie ihn fand. So leicht würde sie sich nicht abweisen lassen, denn schließlich hatte sie jetzt den Beweis in der Hosentasche.

3
    Nach einer halben
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