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Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi

Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi

Titel: Die Tote Von Higher Barton: Ein Cornwall-Krimi
Autoren: Rebecca Michéle
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will.“
    Abigail zog ihren Arm zurück.
    „Ich denke, George hat recht, du bist erschöpft und von der Fahrt übermüdet. In diesem Haus ist noch nie jemand eines gewaltsamen Todes gestorben und letzte Nacht erst recht nicht.“
    „Warum glaubst du mir nicht, Abigail?“, fragte Mabel, betrübt, dass ihre erste Begegnung nach so vielen Jahren mit einer Missstimmung begann. Auch war es ihr peinlich, diese kleine Auseinandersetzung vor den Ohren des aufmerksam lauschenden Hausmeisterpaars führen zu müssen.
    „Weil ich weiß, dass in unserem Alter die Nerven uns manchmal einen Streich spielen, meine Liebe.“ Sie lächelte versöhnlich und ging zur Tür. „Wie wäre es mit einem Lunch gegen ein Uhr, Mabel? Dann können wir uns in aller Ruhe unterhalten.“
    Mabel nickte und es blieb ihr nichts anderes übrig, als der Haushälterin über die breite, mit einem dunkelroten Teppich bedeckte Holztreppe ins zweite Stockwerk hinauf zu folgen. In dem holzverkleideten Gang mit der gewölbten Stuckdecke roch es nach Bienenwachs, offenbar war hier erst kürzlich alles auf Hochglanz poliert worden. Ölbilder, die Landschaften aus der Umgebung des Herrenhauses zeigten, zierten die Wände, und Mabel bemerkte, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten nichts verändert hatte. Noch immer stand eine Büste von Königin Victoria auf einer schmalen Kommode, und in der direkt danebenstehenden Vase dufteten frische Rosen. Als Mrs Penrose die zweite Tür auf der linken Seite öffnete und Mabel eintreten ließ, dachte sie: Wie rücksichtsvoll von Abigail, mir nicht das Zimmer zu geben, das ich früher bewohnte, wenn ich auf Higher Barton weilte.
    „Soll ich Ihnen einen Tee heraufbringen, Miss Clarence?“, riss Emma sie aus den Gedanken.
    „Danke, das ist nicht nötig. Wenn ich mich aber irgendwo frisch machen könnte?“
    Emma zeigte auf eine Tapetentür in der linken Ecke des Raumes, dann zog sie sich zurück. Mabel benutzte die Toilette, wusch sich die Hände und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Sie fühlte sich kein bisschen müde, im Gegenteil, lange war sie nicht mehr von so viel Energie und Tatkraft erfüllt gewesen. Sie ging in ihr Zimmer zurück und sah sich um. Inzwischen war es fast hell, so brauchte sie kein Licht. Das Zimmer war zwar klein, aber geschmackvoll eingerichtet und wurde von einem breiten Himmelbett, dessen grün-goldene Vorhänge mit der mintgrünen Bettwäsche harmonierten, dominiert. Der doppeltürige Schrank stammte ebenso wie die Frisierkommode aus dem 19. Jahrhundert, beide waren bestens restauriert und passten zu dem runden Tisch mit den gepolsterten Stühlen, deren Beine handgedrechselt waren. Mabel erinnerte sich, dass Arthur neumodische Einrichtungen ablehnte und bemüht gewesen war, die Möbelstücke, die sich seit Generationen im Familienbesitz befanden, zu erhalten. Sie trat ans Fenster und sah hinaus. Inzwischen war es hell geworden, die ersten Sonnenstrahlen tauchten die weitläufige Parkanlage mit den kunstvoll geschnittenen Eibenhecken in ein warmes Licht. Es schien ein schöner und warmer Tag zu werden, von dem Unwetter der letzten Nacht zeugten nur noch braune Pfützen auf den sorgsam geharkten Gartenwegen. Mabel setzte sich auf die Bettkante und grübelte. Hatte sie sich tatsächlich geirrt? War da nie eine tote Frau in der Kleidung eines vergangenen Jahrhunderts gewesen? Nein, sie mochte zwar an Jahren nicht mehr jung sein, aber ihre Augen und ihr Gehirn funktionierten noch ausgezeichnet. Sie wusste, was sie gesehen hatte. Und sie wusste auch, wer immer den Körper beseitigt hatte, er oder siehatte das Mädchen auch getötet. Nur warum hatte der Mörder die Leiche zunächst einige Stunden an Ort und Stelle liegengelassen? Und warum hatte Abigail sofort derart ablehnend reagiert? Nun, schon in jungen Jahren hatte ihre Cousine den Hang gehabt, Unangenehmes beiseitezuschieben, es zu ignorieren und so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Mabel hatte für Abigails Verhalten sogar ein wenig Verständnis, denn wer wollte schon eine Leiche in seinem eigenen Haus haben?
    „Schluss mit der Grübelei“, sagte sie laut und griff nach der Wasserkaraffe auf dem Nachttisch, schenkte sich ein Glas ein und trank es in einem Zug leer. Die innere Unruhe blieb. Da Mabels Gepäck noch in ihrem Auto war, wusste sie nicht, womit sie sich beschäftigen sollte, denn sie verspürte keine Müdigkeit. Sie öffnete die Zimmertür und spähte den Gang hinunter, der ruhig und verlassen war. Abigail war wieder zu
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