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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard
Autoren: Amanda Cross
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trinken?«
    »Zur Strafe«, sagte Kate, nachdem sie die Weinkarte studiert hatte, »werde ich mir eine Flasche Vouvray, Clos de Nouys 1971
    bestellen. Hier steht zwar halbtrocken, da aber der 71er zufälliger-weise ein ganz hervorragender Jahrgang ist, fühle ich mich inspiriert, einmal von meiner Vorliebe für sehr trockene Weine abzuweichen.«
    »Na gut. Aber trink vorher einen Scotch. Zwei Scotch«, sagte er 148

    zu dem Kellner. »Sie wissen welche Marke, und stecken Sie den Wein in einen Eiskübel. Am besten kühlen Sie gleich noch eine Flasche vor, denn ich habe die düstere Ahnung, daß uns ein langer Abend bevorsteht.«
    »John, ich weiß, du kannst Frauen wie mich nicht leiden, aber spielst du nicht selbst für deine Begriffe heute ein wenig zu sehr den Macker? Ist irgend etwas nicht in Ordnung?«
    »Natürlich ist irgendwas nicht in Ordnung. Du wirst mir nämlich gleich erzählen, daß einer der renommiertesten Professoren von Harvard eine Kollegin ermordet hat, nur weil er den Gedanken nicht ertragen konnte, daß in seiner Fakultät eine Frau in einer hohen Position ist. Ich werde mich mit der ganzen verdammten Harvard-Hierarchie anlegen müssen. Ich werde wegen dieses lächerlichen Lehrstuhls Krach bekommen, den, wenn du meine Meinung wissen willst, nur ein irregeleiteter Halbverrückter Harvard einbrocken konnte. Die Tatsache, daß besagter Professor schwul ist, wird an die Öffentlichkeit kommen, und wir werden einen Haufen psychologi-scher Gutachter bei Gericht sitzen haben, die sich darüber streiten, ob Homosexualität dazu verleitet, Frauen zu ermorden oder nicht, und da fragst du mich, ob irgendwas nicht in Ordnung ist.«
    »Du glaubst also, Clarkville war es?«
    »Nein. Ich glaube, daß du glaubst, daß er es war. Am Telefon hast du gesagt, daß Janet im Büro des Vorsitzenden gestorben ist.«
    »Ja, stimmt. So war es. Und Clarkville hat ihre Leiche fortgeschafft. Ich zweifle zwar keine Sekunde daran, daß er sie, zumindest in manchen Augenblicken, gern umgebracht hätte, aber er hat es nicht getan. Er hatte weder die Gelegenheit noch die Mittel, um bei deinem sine qua non zu bleiben, und er hatte noch nicht einmal mein sine qua non: ein Motiv. Denn Clarkville ist immerhin schlau genug, zu wissen, daß seine Fakultät jede Art von Publicity um den Frauenlehrstuhl nicht gebrauchen konnte – es sei denn, Janet hätte sich der Bewegung ›Rettet-das-alte-Frauenbild‹ angeschlossen und die Frau als Dienerin inklusive der geschnürten Füße propagiert. In dem Falle wäre ihnen größte Publicity natürlich recht gewesen.«
    »Mein Gott, bin ich erleichtert! Du glaubst also nicht, daß Clarkville es war. Und auch kein anderer Harvard-Professor, Kate? Du hast mir doch nicht eine schreckliche Aussicht genommen, um mich mit einer anderen, vielleicht noch schlimmeren zu konfrontieren?«
    »Nun, ich gebe zu, daß jemand von der anglistischen Fakultät sie umgebracht hat. Nur ein einziger Professor kommt überhaupt in 149

    Frage.«
    »Ja?« Cunningham ließ seinen Blick nicht von Kate, während er hektisch nach dem Kellner und einem zweiten Scotch winkte. »Ja?«
    »Janet selbst«, sagte Kate. »Sie hatte Gelegenheit, Mittel und Motiv – und die tatkräftige Hilfe ihrer Kollegen und außerdem noch die eines ziemlich bedeutenden Dichters, ebenfalls tot, namens Herbert.«
    Als sie beim Vouvray angelangt waren, sah Cunningham aus, als könnte der morgige Tag es möglicherweise wert sein, halbwegs nüchtern zu bleiben. »Erzähl mir«, sagte er, »erzähl mir alles. Ich spendier dir zwei Essen und fünf Flaschen von allem, was es hier gibt, wenn du mich davon überzeugst, daß das stimmt.«
    »Fangen wir ganz von vorn an«, sagte Kate. (John stöhnte mit-leiderregend, Kate ignorierte ihn.) »Warum tippte die Polizei auf Moon als Mörder? Ich wußte zwar von Anfang an, daß er kein Mensch ist, der jemand umbringt, schon gar nicht die arme Janet, aber von solchen Überlegungen läßt sich die Polizei ja nicht leiten.
    Irgendwann ließ sie ihn als Hauptverdächtigen fallen und versteifte sich statt dessen auf die arme Luellen May. Was alle verwirrte, war eben, daß so viele Leute in die Sache verstrickt schienen, die im Grunde gar nichts damit zu tun hatten. Ich meine, ich und Moon beispielsweise, wir gehörten beide zu Janets Vergangenheit. Und daß wir beide hier waren, ließ auf irgendwelche Verbindungen schließen, die es in Wirklichkeit gar nicht gab. Moons Anwesenheit hier war reiner Zufall, aber das
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