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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg
Autoren: Oliver Buslau
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unförmig über den Lehnen, inmitten weißer Trümmer: Stuck von der verzierten Decke. Zum Glück hatte hier niemand mehr gesessen.
    Zunächst konnte ich nichts erkennen. Ich sah grünen Stoff mit einem eigentümlichen Muster und brauchte eine Weile, um zu begreifen, daß es sich bei dem Stoff um ein Kleid und bei dem Muster um Blut handelte. Dann erkannte ich blonde Haare, die auf den Boden hingen. Dazwischen baumelte etwas anderes. Etwas Silbernes mit grünen Steinen darin.
    Plötzlich sackte das ganze Bündel zusammen. Der Kopf der Toten rutschte dabei auf die Seite. Leblose grüne Augen starrten mich an.
    Die Augen von Regina Berg.

3. Kapitel
    Am nächsten Morgen wurde ich früh wach. Es war erst halb acht. Der dämmrige November schien sich in meine Wohnung geschlichen und alles mit einem grauen Schleier überzogen zu haben, aber es war nur die Farbe des Himmels, der durch die Fenster zu sehen war. Jedenfalls war es saukalt, und ich beschloß, ausgiebig zu duschen.
    Ich wurde die Bilder des vergangenen Abends nicht los. Die ganze Nacht hatten sie mich verfolgt - oder vielmehr in der Zeitspanne, die von der Nacht übriggeblieben war.
    Als ich Regina Berg erkannt und danach aufgeblickt hatte, war der Saal so gut wie leer gewesen. Es kam mir vor, als hätte ich schon in diesem Moment Polizeisirenen gehört, aber wahrscheinlich hatte ich viele lange Minuten wie versteinert dagestanden - genau wie einige Musiker, die es vor Schreck nicht schafften, die Bühne zu verlassen, und übriggebliebene Besucher, die bewegungslos auf ihren Plätzen saßen oder stumm am Rand standen und vor sich hinstarrten. Irgendwann waren weißgekleidete Notärzte hereingestürzt, hatten brutal die Stühle zur Seite geschoben und sich einen Weg zu dem Bündel gebahnt, das da auf dem Parkett lag. Natürlich kamen sie zu spät.
    Ich war ins Foyer gegangen. Auch hier waren kaum noch Besucher gewesen, dafür einige Polizisten, die mit ihren grünen Uniformen in der historischen Umgebung fremdartig wie Marsmenschen wirkten. Ich hatte plötzlich das Bedürfnis gehabt, eine Zigarette zu rauchen, und wollte durch die Glastür das Haus verlassen. Einer der Uniformierten hatte mich aufgehalten.
    »Waren Sie im Publikum?« fragte er, und ich nickte. »Bleiben Sie bitte hier, wir müssen die Personalien aufnehmen.« Er winkte einen Kollegen heran, der gleich einen Notizblock hervorzog. »Bitte kommen Sie hierher«, rief er den anderen Besuchern zu, die den kümmerlichen Rest des Publikums bildeten. Dann wandte er sich an mich. »Name? Adresse?« Ich machte die gewünschten Angaben. Der Beamte prüfte auch meinen Personalausweis. Er bedankte sich und kümmerte sich um die anderen. »Wir werden uns an Sie wenden«, erklärte er noch. Ich beobachtete die Prozedur ein wenig und stellte fest, daß dieser Schlußsatz jedem mit auf den Weg gegeben wurde. Dann begriff ich, daß man in dem schmucken Foyer offensichtlich rauchen durfte, und ich machte von dieser Erlaubnis Gebrauch.
    Der Rest des Abends war mir nur noch in einzelnen Bildern im Kopf. Die verängstigten Menschen im Foyer, die Reflexe der Blaulichter hinter dem gläsernen Eingang. Draußen dann ein langes Spalier von Neugierigen. Sie mußten für ein dunkles Auto Platz machen, das an die Stufen der Stadthalle heranfuhr. Es war der Leichenwagen. Etwas später kamen zwei Helfer mit dem Metallsarg heraus, verstauten ihn mit geübten Handgriffen, und der Wagen arbeitete sich wieder durch die Menge. Ich stellte fest, daß meine Zigaretten alle waren.
    Irgendwann war ich zu Hause. Viel später fiel es mir erst ein, auf die Uhr zu sehen. Ich wußte nicht, wo die Zeit geblieben war. Es war halb eins.
    *
    Ich stellte die Dusche an. Kaum war das Wasser richtig heiß geworden, klingelte es Sturm. Ich vermutete Krause und duschte weiter. Das Klingeln steigerte sich, so daß ich wütend meine Dusche abbrach, mir ein Handtuch umwickelte und die Wohnungstür aufriß. Der Besucher stand offenbar unten auf der Straße, denn es klingelte wieder.
    Leider verfügt unser Haus nicht über eine Sprechanlage, so daß ich einfach auf den Öffner für die Haustür drückte. Ein Mann in einem Lodenmantel kam mit gemessenen Schritten die Treppe herauf. Er ignorierte meine spärliche Bekleidung und stellte sich vor.
    »Krüger von der Kripo. Ich hätte ein paar Fragen an Sie.«
    Ich ließ ihn herein, bugsierte ihn ins Büro und kam nach ein paar Minuten angezogen wieder.
    »Ist das hier ein Büro?« fragte
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