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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg
Autoren: Oliver Buslau
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hingab, und mir wurde schlecht.
    »Und von Zeitungen hast du dich also weise ferngehalten.«
    »So ist es. Sollte sich vielleicht unser schönes Wuppertal in eine Hochburg des Verbrechens verwandelt haben? Wo es doch vor gar nicht so langer Zeit noch zu den sichersten Städten Deutschlands zählte?«
    »Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß dem so ist.«
    Ich setzte an, Jutta zu erzählen, was geschehen war, doch sie bremste mich.
    »Ich werde meine Putzfrau danach fragen, wenn sie morgen kommt«, warf sie ein. »Die wird mir sicher noch bessere Details erzählen.«
    »Um noch mal auf die zwei Hunnis zurückzukommen -«
    Sie fiel mir ins Wort. »Verdien dein Geld mal schön selbst, mein Junge. Du weißt genau, daß ich nichts von direkter finanzieller Unterstützung halte. Arbeit hat noch nie geschadet. Ansonsten steht dir mein gastliches Haus immer offen. Für eine warme Suppe oder so. Oder wenn du mal Hilfe bei einem Fall brauchst.«
    Ich seufzte. »Ich dachte ja auch mehr ans Pumpen. Mein Vermieter droht mittlerweile mit Rausschmiß, dein Kerzenständer hat meinen ohnehin kaputten Fernseher aufgespießt, und …«
    »Lieber Remi.« Ihre Stimme war zuckersüß. »Glaub mir, mein Florida-Trip war nicht gerade billig. Im übrigen ersuche ich dich dringend, die Leitung freizuhalten. Ich warte auf einen wichtigen Anruf von Tom -du weißt schon, der aus dem Café Engel.«
    »Warum hast du ihn nicht sofort am Schlafittchen gepackt und in dein Schlafzimmer geschleppt?« fragte ich zornig.
    »Na hör mal«, rief sie entrüstet. »Verhält sich so vielleicht eine Dame? Wobei ich natürlich hoffe, daß das mit dem Schlafzimmer heute abend noch stattfindet. Wenn du mir mit deiner Anruferei keinen Strich durch die Rechnung machst. Adieu!« Sie legte auf.
    Ich dachte eine Weile nach. Dann beschloß ich, zum letzten Strohhalm zu greifen.
    *
    »Na, kommste mit? Hundert Mark, wenn wir’s uns bei mir gemütlich machen, fünfzig im Auto … ach du bist’s. Hallo Remi.«
    »Hallo Susanne. Kannst du mir sagen, wo Anja ist?«
    »Die ist gerade mit ‘nem Kunden weg. Vielleicht kann ich dir ja solange weiterhelfen?«
    Susanne trug trotz der kühlen Jahreszeit das, was man in den 70ern Hot pants nannte. Dazu ein knappes weißes T-Shirt, hochhackige Schuhe an den Füßen. Immerhin umgab sie ein Mantel, der aber nicht wärmen konnte, weil er weit offen stand. Schließlich dekoriert man nicht aufwendig ein Schaufenster, um es dann mit einem Rollo den Blicken der Käufer zu entziehen.
    »Nein danke. Ich warte lieber.«
    Susanne nickte und stöckelte weiter das Islandufer entlang.
    Ich suchte mir einen Platz zum Warten. Zuerst beobachtete ich die paar Mädchen, die hier eigentlich verbotenerweise ihrem Geschäft nachgingen, aber von der Polizei halbwegs geduldet wurden. Offiziell standen sie da und warteten auf einen Freund oder sahen sich die Gegend an - freie Bürgerinnen in einem freien Land. Ansprechen durften sie ihre Kunden eigentlich nicht. Wenn sie es doch taten, gingen sie ein Risiko ein, denn jeder konnte ein Ermittler der Polizei sein.
    Die Tatsache, daß Susanne mir ihre Dienste angeboten hatte, ohne mich überhaupt richtig anzusehen, konnte nur eins bedeuten: Die Geschäfte liefen schlecht.
    Keine gute Aussicht für mich.
    Ich suchte in meinen Taschen nach Zigaretten und fand eine Schachtel, in der sich noch drei befanden. Ich steckte mir eine an und blickte hinunter zur Wupper. Gemütlich floß sie in ihrem flachen Bett dahin, im Wasser spiegelte sich der bewölkte Abendhimmel. Ein harmloses Flüßchen, wenn man es mit so einem gewaltigen Strom wie dem Rhein verglich. Oben kam ab und zu eine Schwebebahn vorbei - jene berühmte, fast hundert Jahre alte Wuppertaler Lösung des Nahverkehrsproblems. Ich überlegte, warum man nicht auch andere Flüsse dazu nutzte, Menschen in großem Stil von A nach B zu transportieren. Eine lange Brücke in der Flußmitte, und man war alle Sorgen los. Der Rhein beispielsweise war so breit, da hätte sogar noch eine Autobahn Platz.
    Bevor ich diesen Gedanken patentamtreif bekam, sah ich eine wuselnde Bewegung zwischen den Steinen am Ufer. Eine Ratte. Vorsichtig schlängelte sie sich von Stein zu Stein. Alle paar Sekunden verharrte sie, dann lief sie weiter. Ab und zu schnupperte sie zwischen den Brocken herum. Ihr bräunliches Fell, fast im selben Ton wie der Boden am angrenzenden Ufer, stand in eigentümlichen Spitzen ab; wahrscheinlich war sie gerade aus dem Wasser gekommen. Ich beobachtete eine
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