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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg
Autoren: Oliver Buslau
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irgendwie zu diesem Saal passend. Auch das Orchester war ein toller Anblick: Gleichmäßig gingen die Bögen der Streicher hinauf und hinunter, Ordnung und Schönheit verbanden sich zu herrlichem Wohlklang, zu perfekter Harmonie.
    Ein bißchen störend fand ich die Bewegungen des Dirigenten. Er ruderte, wedelte, wandte sich mal nach links, mal nach rechts, dabei schienen sich die Musiker gar nicht um ihn zu kümmern, sondern blickten fest auf das, was in ihren Noten stand.
    Meine Platznachbarin, eine ältere Dame, hatte ein Programmheft auf dem Schoß. Ich blickte hinüber und erfuhr, daß eine Sinfonie von Mozart gespielt wurde. Die sogenannte »Linzer Sinfonie«. Das Orchester war die Wuppertaler Kammerphilharmonie, der Dirigent hieß Arthur Satorius.
    Ich sah mich verstohlen um. Wo war Regina Berg? Ich hatte mir keine Gedanken darüber gemacht, daß es natürlich nicht ganz so einfach war, in einem solchen Konzert jemanden zu finden, den man unbedingt treffen wollte. Ich nahm mir vor, in der Pause an der Sektbar Position zu beziehen. Von dort hatte man sicher einen guten Überblick. Andererseits waren auch auf der Empore viele Plätze. Wenn sie nun dort oben saß und in einem ganz anderen Foyer die Pause verbrachte? Ich suchte, soweit es ging, die Reihen der Zuschauer ab. Ohne Erfolg.
    Bald hatte die Musik alle geschäftlichen Gedanken restlos aus meinem Kopf verbannt. Auf die festlichen Anfangsfanfaren folgten leisere Stellen, die Violinen spielten einschmeichelnde Melodien. Manchmal wirkte die Art, wie die Instrumentengruppen mit ihren Parts abwechselten, als unterhielten sie sich. Bläser kamen hinzu, und es war ein Auf und Ab von Melodien, Steigerungen, die abbrachen, sich wieder zu sammeln schienen, und so ging es weiter und weiter.
    Ich wurde abgelenkt, als einige Konzertbesucher vor mir irritiert die Köpfe umwandten. Meine Nachbarin machte eine plötzliche Bewegung. Auch ich hatte das ferne Rumpeln gehört, doch es war kaum in mein Bewußtsein gedrungen. Jetzt war es wieder da. Es klang, als würde jemand schwere Möbel verschieben - sehr weit weg, und doch in unmittelbarer Nähe.
    Unterdessen trumpfte das Orchester mit einer lauten Passage auf. Der Dirigent ließ seine Musiker mit ausholenden Bewegungen langsamer werden und auf einem lange ausgehaltenen Akkord verharren. Dann änderte sich das Tempo, wurde schneller. Das ganze Orchester raste in eine virtuose Passage hinein, doch Mozart hatte für eine weitere leise Stelle gesorgt. Und auch diesmal war das ferne Geräusch wieder da, jetzt noch lauter als vorher.
    Mein Blick senkte sich zufällig, und ich sah etwas Kleines, Helles vor mir auf dem ansonsten sauberen Parkett liegen. Das Ding sah aus wie ein weißes Steinchen. Ich wußte genau, daß es wenige Sekunden vorher noch nicht dagewesen war. Eigentlich erinnerte es mehr an einen daumennagelgroßen Splitter Kreide. Plötzlich war ein zweites Stück da, und ich hatte das Gefühl, von irgend etwas am Kopf getroffen zu werden. Mir ging es nicht allein so. Die Dame neben mir schrie unterdrückt auf und tastete mit der Hand auf ihrer bläulich schimmernden Frisur herum. Ich sah nach oben, entdeckte aber nichts Außergewöhnliches.
    Die Musiker bemerkten noch nichts von der Unruhe, die sich im Saal auszubreiten begann. Einige Konzertbesucher standen leise auf und strebten zwischen den engen Stuhlreihen den Türen zu. Sie störten dabei andere, die aufstehen mußten, um sie vorbeizulassen. Immer mehr bekamen mit, daß sich irgend etwas an der Decke abspielte. Fast jeder sah hinauf.
    Neben der Rosette, an der der gewaltige Kronleuchter hing, ragten mehrere schwarze Röhren aus der Decke. Es waren Scheinwerfer - dicke Zylinder. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, daß einer der beiden leicht hin und her zu wackeln begann.
    Dann passierte es: Etwas löste sich von den Scheinwerfern und landete rasselnd in einem der Kronleuchterreifen. Wie in Zeitlupe rutschte es auch dort ab, raste dann unaufhaltsam auf den darunterliegenden Parkettboden zu und schlug mit dumpfem Knall auf den Stühlen auf.
    Ein Schrei ging durch die Menge. Die Musik erstarb. Wer jetzt noch saß, sprang auf und eilte zu den Ausgängen.
    Auch ich erhob mich schlagartig, erschreckt über das, was da passierte. Aber ich zwang mich, Ruhe zu bewahren. Ich arbeitete mich die Reihen entlang, kletterte über Stühle und drängte entgegenkommende Menschen zur Seite, bis ich an der Stelle angekommen war, wo das Etwas herabgefallen war.
    Es hing
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