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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg
Autoren: Oliver Buslau
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Schatten. Ich suchte einen Untersetzer, öffnete eine Dose Futter und gab ein paar Gabeln voll von dem streng riechenden Fleischmatsch darauf. Kaum hatte sich der Geruch ein bißchen ausgebreitet, wurde Madame (denn das war sie, ich hatte mich vergewissert) lebhaft und stellte sich auf die Hinterbeine. Sie versuchte, die Anrichte zu erreichen, wo ich gerade ihr Mahl bereitete.
    »Eine Madame, die Männchen macht - paradox«, sagte ich, aber sie kümmerte sich nicht darum. Kaum hatte ich ihr das Teilerchen hingestellt, duckte sie sich darüber und fing an zu schlingen. Schmatzende Geräusche begleiteten das Ganze.
    »Wie heißt du eigentlich?« fragte ich das hemmungslos fressende Wesen unter mir. »Ich muß mir einen Namen für dich ausdenken.« Ich ließ sie allein und ging wieder rüber zur Fernsehcouch.
    Kaum flimmerten die bekannten Aufnahmen eines Springbrunnens aus Chicago im Vorspann der »schrecklich netten Familie« über die Mattscheibe, kam meine Besucherin, sprang neben mich und machte es sich ebenfalls auf dem Sofa bequem.
    »Traute Familie, was?« sagte ich und sah zu, wie der Versager Al seine Frau, seine beiden Kinder und sogar den Hund mit Dollarscheinen versorgte. Das hatte ich schon tausendmal gesehen. Daß danach plötzlich der Bildschirm schwarz wurde, war neu. Erst dachte ich an eine Störung im Sender, doch es kam kein Testbild, es blieb dunkel. Auch der Ton war weg. Dafür hörte ich das Schnurren neben mir.
    Ich erhob mich mühsam aus der tiefen Couch. Der Fernseher stand auf einem kleinen Rollwagen aus Sperrholz. Ich rückte das ganze Arrangement von der Wand weg und untersuchte die Kabel. Kein Ergebnis. Alles hätte in Ordnung sein müssen. Ich schaltete um. Auch die anderen Sender funktionierten nicht. Wieder checkte ich die Kabel und schob das Rollregal weiter nach vorne, um mehr Platz zu haben - interessiert beobachtet von der Katze, die nun das ganze Sofa für sich hatte und genüßlich alle viere von sich zu strecken begann.
    Schließlich ging es nicht mehr weiter: Ein Stapel Zeitschriften, der sich vor dem Fernseher in eine größere, haufenförmige Papierfläche verwandelt hatte, störte. Ich seufzte und machte den Platz frei. Dabei kamen ein paar Dinge zum Vorschein, die unter dem Papier verborgen gewesen waren. Sogar ein Messing-Kerzenständer lag darunter. Jutta hatte ihn mir mal zum Geburtstag geschenkt, damit meine Wohnung etwas stimmungsvoller wirkte. Ich stellte das Ding ihr zu Ehren auf den Teppich. Dann kroch ich hinter das Gerät und versuchte verzweifelt, irgend etwas Außergewöhnliches in diesem Kabelsalat zu entdecken - Al Bundy schon abschreibend.
    Ich zwängte mich wieder hervor, und dabei geschah es: Ich machte eine unbedachte Bewegung, um mich abzustützen, mein Ellbogen erwischte den Glotzkasten und schob ihn vom Rollregal nach vorne. Erst gab es ein schleifendes Geräusch, dann stürzte das Gerät die neunzig Zentimeter auf den Wohnzimmerfußboden. Der Raum erbebte von einem Riesenknall. Glas splitterte. Es klang, als sei ein Kasten Bier von der Decke gefallen.
    Ich rappelte mich aus dem Eckchen auf und sah mir die Bescherung an. Der Fernseher lag mit der Glasfläche nach unten auf dem Teppich. Ich brauchte ihn gar nicht anzuheben, um zu wissen, was darunter los war. Genau an der Stelle hatte der Kerzenständer gestanden, der nun wie ein Speer in der Bildröhre steckte.
    Die Katze war verschwunden. Ich sah mich um und entdeckte sie im Büro. Sie hatte sich auf das Fensterbrett geflüchtet. Das Fenster war geschlossen, und sie konnte nicht hinaus. Ängstlich drückte sie sich an die Glasscheibe.
    Im selben Moment klingelte es. Ich machte den Fehler, zur Wohnungstür zu gehen und zu öffnen. Krause stand da und begann eine Tirade gegen den Lärm loszulassen, der seinen Kronleuchter zum Erzittern gebracht habe. Als jedoch die Katze zwischen unseren Beinen hindurchflutschte, um im Treppenhaus einen Weg nach draußen zu finden, wechselte er das Thema.
    »Tierhaltung ist in den Wohnungen grundsätzlich untersagt!« zitierte er wieder den Mietvertrag, verstärkt durch den Zusatz: »Wenn Sie sich nicht dran halten können, kriegen Sie die Kündigung. So schnell, wie ich piep sagen kann.« Dann dampfte er mit seiner Zigarre die Treppe hinunter.
    Eine halbe Stunde später hatte ich die Trümmer halbwegs beseitigt und die Fernseherruine erst mal in den Keller geschafft. Die Katze war nicht mehr im Treppenhaus. Offenbar hatte sie den Weg ins Freie gefunden.
    Danach stand mein
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