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Die Tote vom Johannisberg

Die Tote vom Johannisberg

Titel: Die Tote vom Johannisberg
Autoren: Oliver Buslau
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von einer schwarzen, schmetterlingsförmigen Spange zusammengehalten. An den Ohren glitzerten silberne Ohrringe. Der Mantel stand offen und gab den Blick auf ein Schmuckstück frei, das sie um den Hals trug. Es war ein kleines Kreuz, ebenfalls silbern, mit stecknadelkopfgroßen grünen Steinen geschmückt. Als sie mich anblickte, sah ich, daß der Farbton genau der ihrer Augen war. Ich korrigierte das Alter etwas nach oben. Sie war wohl Anfang zwanzig.
    »Ja. Ich bin aus Wuppertal. Ist das wichtig?«
    »Frau Berg«, begann ich vorsichtig. »Seit fast zwanzig Minuten sind Sie nun hier und wollen mir nicht sagen, was ich für Sie tun soll. Entschuldigen Sie, aber meinen Sie nicht, es wäre besser, Sie überlegen sich noch einmal ganz in Ruhe, womit ich Ihnen helfen kann? Und kommen dann wieder?«
    Ich setzte ein, wie ich glaubte, gewinnendes Lächeln auf, das jedoch von meiner Besucherin ignoriert wurde. Dabei hatte ich mir alle Mühe gegeben, meine Aufforderung gütig und väterlich klingen zu lassen. Doch nun mußte ich feststellen, daß ich Regina Berg damit in Verwirrung gestürzt hatte. Sie blickte ratlos zu Boden. Dann richtete sie plötzlich ihre eigentümlich klaren Augen auf mich. Sie schien meine Gedanken gelesen zu haben. Und da sah ich, daß sie weinte.
    »Werfen Sie mich nicht raus«, murmelte sie. »Es … es ist schwierig, verstehen Sie?«
    Wieder schien sie sich zu verwandeln. Diesmal in ein kleines Mädchen, das sich hilflos am Metallgriff des Fensters festhielt.
    »Sie können mich nicht einfach rauswerfen«, flehte sie, wobei sie sich an die Fensterscheibe zu wenden schien. »Ich brauche wirklich Ihre Hilfe. Lassen Sie mich nur einen klaren Gedanken fassen.«
    Sie zitterte. Ich hatte den Eindruck, sie würde gleich zusammenklappen. Ich stand auf, nahm ihren Arm und führte sie zu einem der beiden Besucherstühle vor dem Schreibtisch.
    »Versuchen wir es anders«, sagte ich so aufmunternd wie möglich. »Da Sie sicher sind, daß ich Ihnen helfen kann, Sie aber nicht wissen, wie, helfe ich Ihnen einfach, indem ich einige Fragen mit Ihnen zusammen angehe. Was halten Sie davon?«
    Sie setzte sich, nickte fast unmerklich und beobachtete meine Hände, anstatt mir ins Gesicht zu sehen.
    »Also: Geht es um eine Überwachung?«
    Sie schniefte kurz. »Was meinen Sie damit?«
    »Sind Sie auf der Suche nach einer Person? Möchten Sie über die Tätigkeiten einer bestimmten Person informiert werden? Haben Sie den Verdacht, daß eine bestimmte Person etwas Unrechtes tut, und brauchen Sie Beweise dafür?«
    Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht. Ja. Auch.«
    Ich schrieb eine Notiz auf meinen Block.
    »Haben Sie vor jemandem oder vor etwas Angst?«
    Sie deutete ein Nicken an. Ich schrieb wieder etwas auf.
    »Werden Sie bedroht?«
    Achselzucken. Ich schrieb.
    »Soll ich jemanden für Sie suchen?«
    Achselzucken.
    »Jetzt kommt eine kompliziertere Frage: »Glauben Sie, daß Ihnen etwas passieren könnte, wenn ich Ihnen nicht helfe?«
    Keine Reaktion. Dafür eine Gegenfrage: »Was haben Sie gesagt?«
    »Soll ich Sie beschützen?«
    Nicken.
    »Wovor? Vor wem?«
    Sie griff in die Tasche ihres Mantels, holte ein Tuch hervor und wischte sich die Tränen ab. Dann stand sie auf und ging ein paar Schritte durch den Raum.
    Ein merkwürdiges Geräusch drang plötzlich von irgendwoher. Meine Besucherin ging ans Fenster, öffnete es, und die Katze sprang herein. Regina Berg hörte nicht mehr zu. Ich fühlte, wie Ärger in mir aufstieg.
    »Bist du süß«, sagte sie und nahm das Tier auf den Arm. Die Katze quittierte es mit lautem Schnurren. Dann wandte sich Regina Berg zu mir. »Ist das Ihre?«
    »Nein«, sagte ich. »Sie scheint eine Streunerin zu sein. Sie ist heute zum ersten Mal hier.«
    Regina Berg kraulte die Katze am Kopf. Das Tier schloß genießerisch die Augen, das Schnurren wurde lauter. »Sie ist abgemagert. Sie müssen sie füttern. Vielleicht wurde sie ja ausgesetzt.«
    Warum soll ausgerechnet ich mich um eine Katze kümmern, wenn die Stadt über dreihundertachtzigtausend andere Einwohner hat, die das übernehmen könnten, wollte ich fragen. »Laut Mietvertrag ist Tierhaltung hier verboten«, sagte ich statt dessen.
    »Sie ist entweder herrenlos, oder ihre Besitzer vernachlässigen sie, und das kommt auf dasselbe heraus. Katzen gehen ihre eigenen Wege. Niemand kann Ihnen verbieten, sie zu füttern. Sie ist sicher auf der Suche nach jemandem, wissen Sie. Nach jemandem, zu dem sie gehören kann.«
    Ich wagte nicht, das
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