Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tote ohne Augen

Die Tote ohne Augen

Titel: Die Tote ohne Augen
Autoren: Jeff Herr
Vom Netzwerk:
deine Titten abschneide? – Nein? Gleich
wirst du gar nichts mehr spüren. Er rammte das Skalpell durch die Rippen
hindurch in die Lunge. Da der Druck außerhalb des Körpers jetzt größer war als
innerhalb der Lunge, fiel die Lunge in sich zusammen. Das Gleiche machte er mit
der anderen Lunge. Sie schnappte nach Luft, ihre Hände verkrampften sich, sie
lief blau an. Sie begann zu schwitzen, der Körper war im Todeskampf. Ein
letztes Mal bäumte sie sich auf – zuckte ein paar Mal wie bei einem
epileptischen Anfall – und starb. Die ganze Zeit war er mit seinem Gesicht dicht
an ihrem. Er genoss es.
     
    Fünf Wochen später. Eine Woche
nach Allerheiligen.
    Manni war mal wieder mit seinem
Hund unterwegs. Er hatte den Moment genau abgepasst, in dem es zu regnen
aufgehört hatte. Die beiden gingen ein Stück bergauf in den Wald hinein in
Richtung des Weihers. Das war der beliebteste Weg bei den Etteldorfern, war er
doch ziemlich flach und man war in etwa zwanzig Minuten, nachdem man den Wald
betreten hatte, beim Weiher. Um den Weiher herum hatte die Gemeinde zusammen
mit dem Förster einige alte Bäume gefällt, damit mehr Sonne zum Weiher kam. Das
Ufer wurde befestigt, der Bach neu eingefasst und eine neue Brücke aus Holz
gebaut. Alles in allem kam man sich vor wie im Urlaub. Manni trottete den Weg
entlang. Sein Hund schnüffelte und leckte wieder jedes einzelne Blatt ab und so
kamen sie nur langsam voran. Beim Weiher angekommen animierte Manni seinen
Labrador dazu, ins Wasser zu gehen, doch dieser mochte nicht, wie immer. Es war
der einzige Labrador, den es gab, der nicht gleich in jedes Gewässer sprang, das
er sah. Nein, man musste ihn wirklich dazu animieren und wenn möglich noch sein
Spielzeug hineinwerfen. Wenn er gut gelaunt war, sprang er hinein. Verlor er
jedoch den Boden unter den Füssen, machte er sofort kehrt und stieg wieder
heraus. Auf einmal sprang der Hund jedoch überraschenderweise in den Weiher.
Zuerst marschierte er nur durchs Wasser. Doch auf einmal schwamm er wie ein
Fisch zur Mitte des Weihers, tauchte kurz hinab und schwamm zu Manni zurück.
Stolz legte er seinem Meister das ab, was er aus dem Wasser gefischt hatte. Es
war eine menschliche Hand.
    Manni traute seinen Augen nicht.
Zuerst dachte er noch, es wäre die Hand einer Schaufensterpuppe, doch als er
sah, dass da noch Sehnen, Muskeln und andere Dinge, die er nicht zuordnen
konnte, herausschauten und da die Hand so schrecklich stank, war ihm wohl klar,
was sein treuer Gefährte ihm da gebracht hatte. Voller Panik griff er zu seinem
Handy und rief die Polizei an: „Notruf der Polizei, was kann ich für Sie tun?“
    „Hallo, mein Hund hat gerade eine
Hand aus einem Weiher gefischt, könnten Sie schnell jemanden vorbeischicken,
ich bekomme so allmählich Panik!“
    „Beruhigen Sie sich. Sind Sie
denn sicher, dass es eine menschliche Hand ist?“
    „Ja, bin ich, sie sieht genau so
aus und vor allem stinkt sie bestialisch!“
    „Gut, wo sind Sie denn im
Moment?“
    „Kennen Sie den Weiher im Wald
von Etteldorf?“
    „Nein, den kenn ich nicht, ich
sitze hier in einem Bürogebäude in der Hauptstadt, ich kenne Etteldorf, aber
nicht den Weiher im Wald.“
    „Schicken Sie mir doch bitte
schnell Maria Ferreira, die Kommissarin aus Gosseldorf, Sie kennt sich hier aus!“
Seine Stimme wurde zittriger und lauter.
    „Hören Sie mein Herr, wen ich
wohin schicke, überlassen Sie bitte immer noch mir. Also geben Sie mir jetzt
bitte eine genaue Ortsbeschreibung von da, wo Sie sind.“
    „Also ich bin in Etteldorf beim
Weiher im Wald. Das kennt hier jeder. Sie fahren in der Waldstraße in den Wald
hinein. Dort gibt es zwei Wege, einer ist geteert, der andere ein Waldweg. Sie
nehmen den Waldweg und fahren etwa zwei Kilometer in den Wald hinein, dort ist
ein Weiher. Ich bleibe vor Ort, bis Sie hier sind.“
    „Wie lautet ihr Name?“
    „Manni Bach.“
    „Eine Telefonnummer bitte!“
    Manni gab seine Telefonnummer an
und ihm wurde versprochen, dass sofort jemand kommen würde.
    So etwa eine Viertelstunde später
vernahm Manni das Motorengeräusch eines Autos. Durch den Herbstwald hindurch
sah er, wie sich ein Auto mit Blaulicht näherte. Manni fiel ein Stein vom
Herzen, als die beiden Polizisten endlich ankamen.
    „Herr Bach? Sie haben uns
angerufen? Was gibt es denn?“
    „Sehen Sie nur hier, das hat mein
Hund aus dem Wasser gezogen.“
    „Oh mein Gott“, schrie der
Polizist auf! Kreidebleich drehte er sich um und erbrach ins Gebüsch.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher