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Die Tote in der Bibliotek

Die Tote in der Bibliotek

Titel: Die Tote in der Bibliotek
Autoren: Agatha Christie
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los sein?»
    «Ach, ich weiß auch nicht», sagte Mrs. Bantry vage. «Das ist alles so seltsam, findest du nicht?»
    Sie warf ihren Mantel ab, während sie sprach, und Colonel Bantry hob ihn sorgsam auf und legte ihn über die Sofalehne.
    Alles schien wie gewohnt und war doch irgendwie fremd. Es kam Mrs. Bantry vor, als sei ihr Mann geschrumpft. Er wirkte dünner, gebeugter. Tränensäcke hingen unter seinen Augen, und die Augen selbst wichen ihrem Blick aus.
    «Und – war’s schön in Danemouth?», fragte er, noch immer betont munter.
    «Herrlich! Du hättest mitkommen sollen, Arthur.»
    «Konnte nicht weg, meine Liebe. Hatte zu viel zu tun.»
    «Trotzdem, ein Tapetenwechsel hätte dir gut getan. Und die Jeffersons magst du doch auch.»
    «Ja, doch, netter Mann. Armer Kerl. Traurige Geschichte.»
    «Was hast du denn in der Zwischenzeit gemacht?»
    «Ach, nicht viel. War auf dem Gut draußen. Hab Anderson ein neues Dach zugesagt – das alte ist nicht mehr zu flicken.»
    «Und wie war’s bei der Sitzung des Grafschaftsrats?»
    «Ach, äh, da war ich gar nicht.»
    «Nicht? Aber du solltest doch den Vorsitz führen!»
    «Ja, also, da gab es wohl ein Missverständnis. Wurde gefragt, ob ich was dagegen habe, wenn Thompson den Vorsitz übernimmt.»
    «Aha.»
    Sie streifte einen Handschuh ab und warf ihn mit Bedacht in den Papierkorb. Ihr Mann wollte ihn wieder herausholen, doch sie hielt ihn zurück und sagte scharf: «Lass nur. Ich kann Handschuhe nicht ausstehen.»
    Colonel Bantry sah sie unbehaglich an.
    «Warst du am Donnerstag zum Dinner bei den Duffys?», fragte sie streng.
    «Ach, das! Das ist verschoben worden. Die Köchin war krank.»
    «Wie dumm. Und warst du gestern bei den Naylors?»
    «Ich hab sie angerufen und gesagt, ich fühl mich nicht ganz wohl und sie möchten mich entschuldigen. Sie waren ganz verständnisvoll.»
    «Tatsächlich?», fragte Mrs. Bantry grimmig.
    Sie setzte sich an den Schreibtisch, griff ganz in Gedanken nach einer Gartenschere und schnitt der Reihe nach die Finger ihres zweiten Handschuhs ab.
    «Was machst du denn da, Dolly?»
    «Meine Wut abreagieren!» Sie stand auf. «Wo wollen wir nach dem Abendessen sitzen, Arthur? In der Bibliothek?»
    «Ach, äh, lieber nicht, oder? Ist doch sehr nett hier – oder im Wohnzimmer.»
    «Ich würde sagen, wir setzen uns in die Bibliothek.»
    Ihr ruhiger Blick begegnete seinem. Colonel Bantry richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Ein Funke blitzte in seinen Augen auf.
    «Du hast Recht, meine Liebe. Wir setzen uns in die Bibliothek!»
     

II
     
    Mrs. Bantry legte mit einem ärgerlichen Seufzer den Hörer auf. Zweimal hatte sie angerufen, und beide Male war die Antwort dieselbe gewesen: Miss Marple sei nicht da.
    Von Natur aus ungeduldig, gab sich Mrs. Bantry nicht so schnell geschlagen. In rascher Folge rief sie den Pfarrer, Mrs. Price Ridley, Miss Hartnell, Miss Wetherby und – als letzte Hoffnung – den Fischhändler an, der dank seiner günstigen geografischen Lage stets wusste, wo sich die Dorfbewohner aufhielten.
    Es tue ihm Leid, sagte er, aber er habe Miss Marple heute Vormittag noch gar nicht gesehen. Sie habe nicht ihren üblichen Rundgang gemacht.
    «Wo kann die Frau nur sein?», fragte Mrs. Bantry laut und unwillig.
    Ein ehrerbietiges Hüsteln ertönte hinter ihr, und der diskrete Lorrimer murmelte: «Sie suchen Miss Marple, Madam? Sie kommt soeben auf das Haus zu.»
    Mrs. Bantry eilte zur Haustür, riss sie auf und begrüßte Miss Marple atemlos. «Ich hab dich überall gesucht! Wo warst du denn?» Sie sah über die Schulter zurück. Lorrimer hatte sich diskret zurückgezogen. «Das ist alles so schrecklich! Die Leute fangen an, Arthur zu schneiden. Er wirkt um Jahre gealtert. Wir müssen etwas tun, Jane! Du musst was tun!»
    «Mach dir mal keine Sorgen», sagte Miss Marple in merkwürdigem Tonfall.
    Colonel Bantry erschien in der Tür des Arbeitszimmers. «Ah, Miss Marple», sagte er, «guten Morgen. Gut, dass Sie kommen. Mein Frau hat wie verrückt nach Ihnen herumtelefoniert.»
    «Ich dachte, ich sage es euch besser selbst.» Miss Marple folgte Mrs. Bantry ins Arbeitszimmer.
    «Was denn?»
    «Basil Blake ist gerade wegen Mordes an Ruby Keene verhaftet worden.»
    «Basil Blake?», rief der Colonel.
    «Aber er war’s nicht», sagte Miss Marple.
    Colonel Bantry nahm diese Äußerung nicht zur Kenntnis. Es war fraglich, ob er sie überhaupt gehört hatte.
    «Wollen Sie damit sagen, er hat das Mädchen erwürgt und sie dann
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