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Die Tote im Götakanal

Die Tote im Götakanal

Titel: Die Tote im Götakanal
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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Martin Beck hielt nichts davon, doch die Mehrzahl seiner Kollegen fand die Entwicklung sehr begrüßenswert.
    Von einem schnellen und positiven Abschluß der Untersuchungen konnte hier nicht die Rede sein.
    War die Ausbeute im übrigen auch mager gewesen, so hatte er doch während dieser zwei Tage einen Teil von Motala kennengelernt und erinnerte sich an die Namen der Straßen. Prästgatan, Drottniggatan, Östermalmsgatan, Borensvägen, Verkstadsvägen – und dann war er da. Er ließ den Chauffeur an der Brücke halten, bezahlte und stieg aus. Die Hände aufs Brückengeländer gestützt, sah er auf den Kanal hinunter, der schnurgerade durch den langen grünen Abhang geführt war. Dabei fiel ihm ein, daß er vergessen hatte, den Taxifahrer den Fahrtweg auf der Quittung vermerken zu lassen. Es würde wohl allerlei idiotische Auseinandersetzungen an der Kasse geben, wenn er ihn selbst ausfüllte. Da war es wohl das beste, die Angaben mit der Schreibmaschine zu machen, das sah vertrauenerweckender aus. Daran dachte er immer noch, als er den Fußweg an der Nordseite des Kanals entlangging.
    Während der Morgenstunden hatte es vorübergehend geregnet; die Luft war leicht und frisch. Mitten auf dem Hügel blieb er stehen und zog die Luft ein.
    Sie roch nach Wiesenblumen und feuchtem Grün.
    Der Geruch erinnerte ihn an seine Kindheit, an eine Zeit, bevor Tabakrauch, Benzindünste und gereizte Schleimhäute Gelegenheit gehabt hatten, die Sinne ihrer Schärfe zu berauben.
    Martin Beck hatte die fünf Schleusen passiert und schlenderte die Kaischonung entlang. Einige Kleinboote lagen vertäut im Schleusenbassin und an der Mole, und draußen auf dem Borensee zeigten sich ein paar Segelboote. 50 Meter außerhalb der Molenspitze arbeitete und schnaubte der Bagger, umkreist von einigen Möwen, die ihn im Segelflug in langsamen, weiten Bögen umschwebte n. Man konnte sehen, wie sie den Kopf von der einen Seite zur anderen legten und darauf warteten, was die Baggerschaufel aus dem Kanalbett hervorholte. Ihre Wachsamkeit und ihr Beobachtungsvermögen waren bewundernswert, ebenso ihre Ausdauer und ihr Optimismus. Unwillkürlich mußte er an Kollberg und Melander denken.
    Weit draußen an der Mole blieb er wieder stehen.
    Hier hatte sie also gelegen. Oder richtiger gesagt: Hier hatte die namenlose Leiche irgendeiner weiblichen Person auf einer zusammengefalteten Persenning gelegen, den Blicken der Neugierigen ausgesetzt. Nach einigen Stunden war sie von zwei Männern in Arbeitskleidung auf einer Bahre abtransportiert worden, und dann hatte ein alter Herr, dessen Beruf das war, den Körper zerschnitten und auseinandergenommen und später anständigerweise wieder notdürftig zusammengenäht; so war sie in einem Kühlfach des Leichenhauses gelandet. Er selber hatte sie nicht gesehen. Das war immerhin etwas, wofür er dankbar sein konnte.
    Martin Beck wurde sich bewußt, daß er die Hände auf dem Rücken gefaltet hielt und auf den Fußspitzen wippte, eine Gewohnheit aus den Streifenjahren, die ebenso unausrottbar wie unleidlich war.
    Außerdem stand er und starrte auf ein graues, uninteressantes Stückchen Mole, von dem der Regen den Kreidestrich der ersten routinemäßigen Untersuchung längst weggeschwemmt hatte. Offenbar hatte er länger so gestanden, als er selbst gemerkt hatte, denn die Umgebung hatte inzwischen erhebliche Veränderungen erfahren. Am bemerkenswertesten war ein kleines weißes Passagierschiff, das mit guter Fahrt in Richtung auf das Schleusenbecken zusteuerte. Als es um den Bagger herumfuhr, richteten sich an Bord etwa zwanzig Kameraobjektive auf den Schwimmbagger; als Gegenleistung trat der Baggerführer aus seiner Kabine und fotografierte seinerseits das Passagierschiff. Martin Beck folgte dem Boot mit den Augen, während es die Kai-spitze passierte, und vermerkte gewisse Einzelheiten. Der Rumpf war rein in den Linien, aber der Mast war gekappt, und der Schornstein, der einst sicherlich hoch und gerade und schön gewesen war, war durch einen eigentümlich stromlinienförmigen Blechkörper ersetzt. Aus dem Innern des Fahrzeugs hörte er das dumpfe Stampfen der Dieselmotoren. Das Deck war mit Touristen besetzt, fast alle schienen älter oder in mittleren Jahren zu sein, und mehrere trugen Strohhüte mit geblümten Bändern.
    Das Schiff hieß Juno. Er erinnerte sich, daß Ahlberg diesen Namen schon bei ihrem ersten Zusammentreffen erwähnt hatte.
    Es befanden sich auffallend viele Leute auf der Mole und am Rand des
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