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Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
Autoren: Sam Sykes
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ließ seinen Blick einen Moment auf der kleinen Statuette ruhen. Er nahm sich immer einen Moment Zeit für die Bronzefrau. Sie hatte kurz geschorenes Haar, hielt den Hirtenstab in der einen und das Schwert in der anderen Hand, inmitten einer Meute kauernder Jagdhunde. So wie er sich auch immer die Zeit nahm, grüßend seinen Augenwinkel zu berühren, wenn er an der Statue in den Gängen des Venarium vorüberging.
    »Was tue ich?«, fragte der Bibliothekar, obwohl er es sehr genau wusste.
    »Das hier ist nicht der rechte Ort für Anbetungen, wie Euch klar sein dürfte«, murmelte der Schreiber und warf dem großen Mann an seiner Seite einen finsteren Blick zu. »Das sind die Hallen des Venarium.«
    »Und die Hallen des Venarium sind ein Ort des Gesetzes«, konterte Bralston, »und das Gesetz von Cier’Djaal besagt, dass alle Geschäftsdokumente den Stempel der Hundeherrin, der Hüterin der Gesetze, tragen müssen.«
    »Das bedeutet nicht, dass Ihr sie wie eine Göttin anbeten müsst.«
    »Eine Geste des Respekts ist keine Anbetung.«
    »Aber es kommt Götzendienst gefährlich nahe«, erwiderte der Schreiber, der so drohend zu klingen versuchte, wie ein untersetzter Mann in einer zu weiten Robe es vermochte. »Und das ist ganz gewiss ein Verstoß.«
    Natürlich wusste Bralston, dass es letztlich weniger um das Gesetz ging als vielmehr darum, dass es in den Augen des Venarium schlicht psychotisch war. Welchen Sinn hatte es schon, einen Götzen anzubeten? Götzenbilder waren die verkörperte Heuchelei des Glaubens und repräsentierten Dinge, die so viel mehr waren als die Menschheit und im eklatanten Widerspruch dazu nach dem Abbild der Menschheit geschaffen waren. Welchen Nutzen also hatte das?
    Götter existierten nicht, weder als Abbild des Menschen noch anders. Die Menschheit existierte. Sie war die ultimative Macht in der Welt, und die Magier waren die ultimative Macht innerhalb der Menschheit. Götzenbilder betonten das nur.
    Trotzdem, klagte der Bibliothekar stumm, während sein Blick durch die lange Halle schweifte, kann man dem Götzendienst zumindest zugutehalten, dass er ästhetischer ist als das hier.
    Die Bronzestatue war so klein, dass sie fast vor den rosafarbenen Steinwänden und Böden verschwand, die weder von Teppichen, Gobelins noch von einem einzigen Fenster geschmückt wurden, das breiter gewesen wäre als die Handspanne eines Mannes. Sie war das Einzige, was daran erinnerte, dass dies ein Ort der Gelehrsamkeit und des Gesetzes war und keine Gefängniszelle.
    Dennoch, räumte er ein, hat es eine durchaus beeindruckende
Wirkung, wenn man seine Schritte durch die Korridore hallen hört. Vielleicht war dies der architektonische Beweis für die Leugnung irgendwelcher Götter durch die Magier. Hier, innerhalb des Venarium selbst, in diesen Korridoren, wo keine Gebete über dem widerhallenden Donnern der Schritte zu hören waren, erwies sich die Menschheit als die letzte Macht.
    »Der Lektor erwartet Euch«, murmelte der Schreiber, als er die Tür aufzog. »Und zwar bereits seit einer ganzen Weile!«, setzte er noch hastig hinzu, da ihm seine erste Feststellung offensichtlich nicht genau genug war. »Beeilt Euch.«
    Bralston nickte ihm beiläufig zu und betrat dann das Büro, dessen Tür sich hinter ihm geräuschlos schloss.
    Lektor Annis, dem Gesetz ebenso ergeben wie jedes andere Mitglied des Venarium, respektierte das Diktat der Bescheidenheit. Trotz seiner Position als oberster Bibliothekar, umfasste sein Büro nur einen kleinen Raum, in dem gerade ein Stuhl, ein großes Buchregal und der Schreibtisch Platz fanden, hinter dem er saß. Auf seinen schmalen Schultern schimmerte das Sonnenlicht, das von den Schlitzen in den Wänden hereingelassen wurde.
    Bralston grüßte seinen Vorgesetzten mit der gebräuchlichen Verbeugung, als etwas seine Aufmerksamkeit erregte. Dass drei weitere Stühle im Büro standen, war allein schon höchst ungewöhnlich. Und dass die drei Leute, die darauf saßen, eindeutig keine Magier waren, war beispiellos.
    »Bibliothekar Bralston«, Annis’ Stimme klang tiefer, als man bei seiner schmächtigen Gestalt vermutet hätte. »Wir sind höchst erfreut, dass Ihr kommen konntet.«
    »Meine Pflicht hat stets Vorrang, Lektor«, antwortete Bralston und trat einen weiteren Schritt in den Raum. Dabei betrachtete er die anderen Gäste neugierig. Es handelte sich um zwei Männer und eine sichtlich erschöpfte Frau. »Verzeiht mir, aber man sagte mir, es wäre ein Treffen der
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