Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich
Autoren: Tim Powers
Vom Netzwerk:
krümmte, bevor sie sich wieder westwärts wandte, und dann blickte sie ein zweites Mal nach Osten.
    Sie lächelte erleichtert. Ja, der Himmel war dort deutlich blasser. Sie konnte die dunklen Bogen der Blackfriars Bridge vor dem ersten schwachen Grau des neuen Tages erkennen.
    Sie entspannte sich und versuchte es sich auf der niedrigen Mauer halbwegs bequem zu machen. Hier draußen über den Schlammbänken oberhalb der Adelphi-Terrassen war es unangenehm kalt. Sie zog die Jacke enger um die Schultern und fröstelte. So hoffnungslos diese Nachtwache war, sie war entschlossen auszuharren, bis es Tag wäre, um zu sehen, ob Ashbless von der Strömung herausgetragen würde - es war immerhin möglich, daß er nicht tot gewesen war, als er in dem tiefen Keller an ihr vorbeigerollt war, und daß er den unterirdischen Abzugskanal erreicht und ein gutes Stück darin vorwärts gekommen war, bevor die schreckliche... Verfestigung begonnen hatte.
    Schaudernd blickte sie zum Osthimmel, um dem zunehmenden Grau Ermutigung abzugewinnen, dann ließ sie die Erinnerung an den Aufstieg aus den tiefen Kellern lebendig werden.
    Sie hatte Coleridges Hand genommen und sich vorsichtig den lichtlosen Korridor weiter hinaufgetastet, als sie die Stille bemerkt hatte. Nicht nur hatte das entfernte Winseln und Schreien aufgehört, auch die subtilen und komplexen Resonanzen in der Luft, die Echos des ständig leise durch die Gänge streichenden Luftzugs hatten aufgehört.
    Im Weitergehen hatte sie sich an die Wand zur Rechten gedrückt, denn nun mußten sie an der Stelle vorbei, wo Horrabins Leichnam lag, und sie verschluckte im letzten Augenblick einen Aufschrei, als eine ganz ungewöhnlich tiefe Stimme aus der Finsternis zu ihnen sprach.
    »Dies ist kein Ort für Menschen, meine Freunde«, sagte sie.
    »Ja... richtig«, sagte Jacky. »Wir gehen schon.«
    Sie vernahm ein wogendes Empordrängen, ein dumpfes Schlagen und wiederholtes metallisches Klirren, und als die Stimme abermals sprach, kam sie aus der Höhe über ihnen. »Ich werde euch geleiten«, sagte sie bedächtig. »Selbst wenn er an den Nadelstichen der kleinen Männer des Clowns stirbt, ist der Große Beißer ein Beschützer, dem wenige sich entgegenstellen würden.«
    »Du... du willst uns begleiten?« fragte Jacky ungläubig.
    »Ja.« Die Stimme seufzte schwerfällig. »Ich bin es deinem Begleiter schuldig, der meine Brüder und Schwestern und mich befreite und uns die Möglichkeit gab, vor unserem Tod Vergeltung an unserem Schöpfer zu üben.« Jacky hatte bemerkt, daß die Stimme keinen Widerhall erzeugte, als ob sie in einem Raum und nicht in einem weiten unterirdischen Gang stünden. »Beeilen wir uns«, sagte der Große Beißer und setzte sich in Bewegung. »Die Dunkelheit verhärtet sich.«
    Das sonderbare Trio erreichte die Treppe und begann sie zu ersteigen. Auf dem ersten Absatz wollte Coleridge eine Ruhepause machen, aber der Große Beißer sagte ihm, es sei keine Zeit; er faßte Coleridge beim Arm, und sie gingen weiter.
    »Bleib nicht zurück!« sagte er zu Jacky.
    Jacky versicherte ihm, daß sie es nicht tun werde, denn sie hatte bemerkt, daß aus dem Korridor, woher sie gekommen waren, weder ein Laut noch ein Echo drangen, und genauso verhielt es sich mit der Treppenflucht, die sie gerade erstiegen hatten. Was hatten ihr die augenlosen Schwestern vor einem halben Jahr gesagt? Daß die Dunkelheit sich wie trocknender Schlamm verfestige, und daß sie sich davonmachen wollten, bevor sie so massiv wie die Steine wäre. Und daß sie nicht für alle Zeit in den Steinen gefangen bleiben wollten, die gehärtete Nacht waren. Jacky paßte sich dem Schritt ihres Begleiters an und war froh, daß er so schnell vorankam.
    Als sie endlich oben anlangten und in den hellen Fackelschein des Küchengangs in der Rattenburg traten, gingen ein paar von Carringtons Leuten auf sie los, wichen aber rasch zurück, als sie die Kreatur erblickten, die Coleridge in ihren schweren Armen trug. Jacky blickte zum Großen Beißer auf und war nahe daran, selbst vor ihm zurückzuschrecken.
    Ihr Begleiter war ein froschähnlicher Riese, mit langen schwarzen Fühlern wie ein Wels, die sein Gesicht gleich einer Karikatur von Haaren und Bart umgaben, Augen wie gläsernen Briefbeschwerern und einer Nase wie ein Schweinsrüssel, aber sein bei weitem auffallendstes Merkmal war der Mund: ein mindestens zwölf Zoll breites Froschmaul, das er kaum schließen konnte, weil die Zähne darin so gewaltig waren. Er trug
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher