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Die Tore zu Anubis Reich

Die Tore zu Anubis Reich

Titel: Die Tore zu Anubis Reich
Autoren: Tim Powers
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ihm hin. Auch der magere Zauberer strahlte dieses Antilicht aus; und er starrte in ehrfürchtiger Scheu auf etwas, das zu Ashbless' Häupten sein mußte. Ashbless brachte es fertig, den Kopf zu drehen und in den Nacken zu legen, und sah mehrere hohe, düstere Gestalten im Heck des Bootes stehen, und in seiner Mitte einen kleinen Schrein, umwunden von einer Schlange, die ihren Schwanz im Maul hielt, und in dem Schrein befand sich eine Scheibe, von der die strahlende Schwärze derart intensiv ausging, daß sie Ashbless' Auge schmerzte, und er mußte wegsehen; doch glaubte er auf der Scheibe die Zeichnung eines Skarabäus gesehen zu haben.
    Als er wieder Einzelheiten erkennen konnte, sah er Romanelli erleichtert lächeln; Tränen glänzten auf seinen eingefallenen Wangen. »Das Boot des Ra«, flüsterte er, »das Boot Sektet, in welchem die Sonne durch die zwölf Stunden der Nacht reist, von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang! Ich bin darin - und am Morgen, wenn wir wieder in die Welt hinauskommen, werde ich im Boot Atet segeln, dem Boot des Morgenhimmels, und wiederhergestellt sein!«
    Zu sehr zugrunde gerichtet, als daß er sich etwas hätte daraus machen können, ließ Ashbless den Kopf zurückrollen. Er glaubte ein Pulsieren unter dem Leder zu hören, auf dem er lag, und das winselnde Geräusch, das ihn die ganze Nacht begleitet zu haben schien, hatte zugenommen und einen flehenden Ton. Ohne den Kopf zu heben, konnte er über die niedere Bordwand zum Flußufer blicken und undeutliche Gestalten wahrnehmen, die ihre Arme nach dem Boot ausstreckten, als es vorüberzog; und als es sie passiert hatte, konnte er ihr verzweifeltes Weinen hören. In weiten Abständen staken Stangen im Ufer - zur Kennzeichnung der Stunden, dachte er-, die Schlangenköpfe trugen, und als das Boot an ihnen vorbeifuhr, wurde daraus für einen Augenblick ein geneigter menschlicher Kopf.
    Ashbless hob ein wenig den Kopf und bemerkte zum ersten Mal, daß das Boot eine riesige Schlange war, in der Mitte verbreitert und am Schwanzende spitz zulaufend. Das Kopfende aber endete in einem langen Hals, auf dem der Kopf einer lebenden Schlange saß. Dies ist das Gedicht, dachte er - die Zwölf Stunden der Nacht. Dies ist, worüber ich geschrieben habe. Ich bin in dem Boot, das nur die Toten sehen.
    Er spürte, daß die Scheibe lebendig war - nein, tot, aber mit einem Bewußtsein, und daß dieses Bewußtsein an den zwei blinden Passagieren völlig desinteressiert war. Auch die hohen, tierköpfigen Gestalten im Heck ignorierten sie. Ashbless ließ den Kopf zurücksinken.
    Nach einer Zeit glitt das Boot durch ein Tor, das von zwei Sarkophagen flankiert war. Jeder von ihnen war hoch wie ein Telegrafenmast, und die Gestalten am Ufer schrien und bewegten sich wiegend von einer Seite zur anderen, und durch ihre ängstlichen Rufe konnte er ein träges metallisches Scharren hören. »Apep!« riefen die Geister der Verstorbenen. »Apep!« Und dann sah er eine Gestalt von Schwärze emporsteigen und erkannte, daß es das Haupt einer so ungeheuren Schlange war, daß ihr Boot daneben wie ein Spielzeug erschien. Menschengestalten hingen von den gigantischen Kiefern, aber Apep schüttelte ihren gewaltigen Schädel und schleuderte sie von sich und bog ihn langsam vorwärts über den Fluß.
    »Die Schlange Apep«, wisperte Romanelli, »deren Körper in den tiefen Bereichen des keku samu liegt, wo reine Dunkelheit sich undurchdringlich verfestigt. Sie spürt, daß an Bord dieses Bootes eine Seele ist, die... es nicht verdient hat, den Morgen zu erblicken.« Romanelli lächelte. »Aber ich brauche dich nicht mehr.«
    Unfähig, auch nur den Kopf ein zweites Mal zu heben, sah Ashbless den völlig schwarzen Riesenschädel auf sie herabstoßen und alles andere über ihm auslöschen. Die Luft wurde bitterkalt, als der Schädel sich niederbeugte, und als er den gewaltigen Rachen öffnete, glaubte er in der Ferne negative Sterne leuchten zu sehen, als ob Apeps Rachen das Tor zu einem Universum absoluter Kälte und Lichtlosigkeit wäre.
    Ashbless schloß das Auge und empfahl seine Seele dem barmherzigen Gott, den es irgendwo noch geben mochte.
    Ein dünnes Kreischen lenkte seine Aufmerksamkeit wieder nach außen, und er blickte - wie er hoffte, ein letztes Mal - in den Rachen auf... und sah Dr. Romanellis sich auflösende Gestalt hinauf in das riesige Maul stürzen.

    Um sich zu vergewissern, blickte Jacky in den dunklen Westen, wo die breite Themse sich hinter Whitehall nach Süden
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