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Die Töpfchenhexe in Mexiko

Die Töpfchenhexe in Mexiko

Titel: Die Töpfchenhexe in Mexiko
Autoren: Vera Ruoff
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schaute die Töpfchenhexe den Zauberer an, sie hatte nicht ganz verstanden.
    »Was ist das für ein Töpfchen ?«
    »Dies Töpfchen«, erklärte Suseldrus, »ist auch für die Puebloindianer ein besonders wichtiges und schönes Töpfchen. In jedem Indianerdorf gibt es nur ein solches Töpfchen. Es steht im Haus des Häuptlings und wird von ihm sehr sorgfältig behütet .«
    »Sag mir den Namen dieses Töpfchens noch einmal, Suseldrus. Wie heißt es ?«
    »Das ist das Töpfchen >O-die- wip - tie <. Wenn man das Wort übersetzt, dann heißt das ungefähr: Töpfchen der Vergangenheit .«
    Schluribumbi war schließlich aufgewacht und hörte den Erzählungen des Zauberers gespannt zu.
    »Warum ist es das >Töpfchen der Vergangenheit< ?« fragte die Töpfchenhexe.
    »Früher glaubten die Indianer, daß jeden Abend, nachdem der letzte im Dorf eingeschlafen war, ein Punkt auf dieses Töpfchen flog, so daß auf dem Schwanz des Vogels ein Punkt mehr zu sehen war. Wenn eine Woche zu Ende war, dann flogen in dem Augenblick, in dem der letzte eingeschlafen war, ein Punkt und ein Kreuz auf den gemalten Vogel, und wenn ein Monat zu Ende, gegangen war, flogen an diesem Abend ein Punkt auf die Schwanzfedern, ein Kreuz auf den Bauch und ein Strich auf den Schnabel des Vogels.«
    Die Töpfchenhexe hatte sehr still dagesessen und aufmerksam den Erklärungen des Zauberers Suseldrus zugehört. »Und wenn ein Jahr um war, was flog dann auf den Vogel ?«
    »Dann flogen an diesem Abend, wenn der letzte eingeschlafen war, ein Punkt, ein Kreuz und ein Strich auf die Zehen des Vogels«, antwortete Suseldrus.
    »Suseldrus«, sagte die Töpfchenhexe schläfrig, denn der Einschlaftee begann zu wirken, »dieses Töpfchen >O-die- wip - tie < möchte ich schrecklich gerne haben. Mein einhundertunderstes wäre es. Und mein schönstes.«
    »Und was würdest du hineintun ?« fragte Suseldrus. »Weißt du, darüber denke ich jetzt noch nicht nach. Erst mal überlege ich, wie ich ein >O-die- wip - tie <-Töpfchen bekommen könnte .«
    »Es ist unerreichbar«, meinte der Kater vom Blumentopf her.
    »Suseldrus, wie kommt man nach Mexiko?«
    »Mit dem Flugzeug«, antwortete er und trank den letzten Tropfen Einschlaftee aus.
    »Und wie lange fliegt so ein Flugzeug nach Mexiko ?« wollte die Töpfchenhexe weiter wissen.
    »Vielleicht zehn Stunden, vielleicht auch zwanzig Stunden.« Suseldrus wußte es nicht genau.
    »Aber Geld braucht man«, meinte die Töpfchenhexe, »denn so eine Flugzeugkarte muß bezahlt werden .«
    Das wußte sie von Oma Beegenbiel, die auch im Wald wohnte, Kräuter sammelte und verkaufte. Das verdiente Geld hatte sie aber nicht ausgegeben, sondern so lange gespart, bis sie genug beisammen hatte, um damit eine Fahrkarte für einen Flug nach Amerika kaufen zu können. Denn in Amerika wohnte Oma Beegenbiels Sohn August, den sie seit vielen Jahren nicht gesehen hatte. Und vor ein paar Tagen nun war Oma Beegenbiel abgeflogen.
    Die Töpfchenhexe, Suseldrus und Schluribumbi hatten sie zum Flughafen begleitet.
    »Und so eine Fahrkarte nach Mexiko ist teuer«, sagte Suseldrus. Die Töpfchenhexe betrachtete gedankenverloren Schluribumbi, dessen schwarzes Fell wie Samt glänzte. Dann zog sie das Mexikobuch wieder näher zu sich heran. Und sie betrachtete das Töpfchen O-die- wip - tie , das Töpfchen der Vergangenheit. Ich würde es in die Mitte des Regals stellen, überlegte sie, dann würden links fünfzig Töpfchen stehen, rechts würden fünfzig stehen und in der Mitte das Töpfchen O-die- wip - tie .
    Das dachte sich die Töpfchenhexe nur. Laut sagte sie: »Suseldrus, stell dir mal vor, wir hätten das Geld für das Flugzeug, oder wir hätten ganz 'einfach die Fahrkarten, so, als wenn sie uns jemand geschenkt hätte. Dann würden wir uns in das Flugzeug setzen ...«
    »Und das Flugzeug würde losfliegen«, setzte Schluribumbi fort und schaute die Töpfchenhexe an, deren Augen schon sehr schläfrig aussahen. Auch bei Suseldrus fing der Einschlaftee kräftig an zu wirken. Aber die Töpfchenhexe war noch ganz wach, als sie weitersprach:
    »Jawohl, das Flugzeug würde losfliegen, und nach zehn oder zwanzig Stunden würden wir auf dem Flughafen in Mexiko ankommen. Und dann, Suseldrus, und dann? Wie kommt man dann in so ein Dorf, in dem diese Puebloindianer wohnen, die alle diese Töpfchen selber machen? Suseldrus, wie kommt man vom Flughafen in Mexiko in so ein Dorf und zu dem Häuptling, der ein O-die- wip - tie -Töpfchen hat?«
    Suseldrus
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