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Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte
Autoren: Camilla Läckberg
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eine Trage aus dem Auto luden und mit dieser auf sie zukamen.
    »Ertrunken?« Der erste der beiden Sanitäter wies mit dem Kinn fragend zum Boot.
    »Ja, sieht so aus«, antwortete Patrik. »Aber das muß der Pathologe entscheiden. Jedenfalls könnt ihr nicht mehr für sie tun, als sie abzutransportieren.«
    »Haben’s schon gehört«, sagte der Bursche. »Dann packen wir sie jetzt auf die Trage.«
    Patrik nickte. Seit jeher war es für ihn am schrecklichsten, wenn Kindern etwas Schlimmes widerfuhr, aber seit es Maja gab, hatte sich sein Unbehagen vertausendfacht. Es tat ihm in der Seele weh bei dem Gedanken an die vor ihnen liegende Aufgabe. Sobald das Mädchen identifiziert war, würden sie das Leben ihrer Eltern zerstören müssen.
    Die Sanitäter waren in den Kahn gesprungen und bereiteten sich jetzt darauf vor, das Mädchen auf die Anlegebrücke zu heben. Einer von ihnen drehte sie vorsichtig auf den Rücken. Das nasse Haar fiel wie ein Fächer um ihr bleiches Gesicht, und ihr gläserner Blick schien an den dahinjagenden grauen Wolken zu haften.
    Patrik hatte sich zunächst abgewandt, aber nun schaute er widerstrebend auf das Kind hinunter. Eine kalte Hand packte sein Herz.
    »O nein, o nein, verdammte Scheiße.«
    Martin sah ihn bestürzt an. Dann ging ihm ein Licht auf. »Du weißt, wer sie ist?« Patrik nickte stumm.
     
    Strömstad 1923
     
    Sie hätte es nie laut zu sagen gewagt, aber manchmal fand sie, es war ein Glück, daß die Mutter bei ihrer Geburt gestorben war. So hatte sie ihren Vater ganz für sich allein. Nach allem, was sie über ihre Mutter gehört hatte, wäre es bei ihr nicht so leicht gewesen, sie um den Finger zu wickeln. Aber ihr Vater brachte es nicht übers Herz, seiner mutterlosen Tochter etwas abzuschlagen. Eine Tatsache, deren sich Agnes voll bewußt war und die sie gründlich ausnutzte. Etliche wohlmeinende Verwandte und Freunde hatten versucht, ihrem Vater ins Gewissen zu reden, aber obgleich er ein paar halbherzige Versuche unternahm, seinem Liebling etwas zu verweigern, erlag er früher oder später ihrem schönen Gesicht mit den großen Augen, aus denen dicke Tränen so leicht die Wangen hinunterliefen.
    So kam es, daß sie jetzt, im Alter von neunzehn Jahren, ein beispiellos verwöhntes Mädchen war, und viele der Freundinnen und Freunde, die sich die Klinke im Laufe der Zeit in die Hand gegeben hatten, würden der Aussage wohl zustimmen, daß sie etwas Böses an sich hatte. Vor allem die Mädchen sagten das. Die Jungen, das hatte Agnes entdeckt, sahen selten mehr als ihr schönes Gesicht, die großen Augen und das dichte, lange Haar.
    Die Villa in Strömstad war eine der imposantesten in der Stadt. Sie lag hoch oben auf dem Berg mit Blick aufs Meer und war einerseits mit dem geerbten Vermögen ihrer Mutter, andererseits mit jenem Geld bezahlt worden, das ihr Vater im Steinmetzgewerbe erworben hatte. Einmal fehlte nicht viel, und er hätte alles verloren, damals während des Streiks 1914, als die Steinmetze sich wie ein Mann gegen die großen Gesellschaften erhoben. Aber die Ordnung wurde wiederhergestellt, und nach dem Krieg blühte das Gewerbe erneut auf, nicht zuletzt die Steinmetzwerkstatt in Krokstrand, ein Stück vor Strömstad gelegen, die unter Hochdruck an Lieferungen vor allem nach Frankreich arbeitete.
    Agnes kümmerte es nicht viel, woher das Geld stammte. Sie war wohlhabend geboren und hatte immer luxuriös gelebt, und ob das Geld nun geerbt oder verdient war, spielte keine Rolle, solange sie nur schicke Kleider und Schmuck dafür erstehen konnte. Die anderen waren gegenteiliger Ansicht, das wußte sie. Die Eltern ihrer Mutter waren entsetzt gewesen, als die Tochter Agnes’ Vater heiratete. Sein Geld war schließlich erst neu erworben, und seine Eltern waren arme Leute gewesen, solche, die bei größeren Festlichkeiten nicht in den Rahmen paßten, sondern in aller Einfachheit eingeladen werden mußten, wenn niemand außer der engsten Familie anwesend war. Und selbst diese Zusammenkünfte waren ausgesprochen peinlich. Die Ärmsten wußten schließlich nicht, wie man sich in feineren Salons bewegte, und jede Konversation war einfach hoffnungslos. Die Eltern ihrer Mutter hatten nie verstanden, was ihre Tochter an diesem August Stjernkvist fand, oder vielmehr August Persson, wie sein Geburtsname lautete. Sein Versuch, durch einen simplen Namenswechsel die gesellschaftliche Leiter nach oben zu klettern, hatte sie nicht täuschen können. Aber an dem Enkelkind hatten sie
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