Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte
Autoren: Camilla Läckberg
Vom Netzwerk:
sicher heute abend zu dir rein. Er sagte auch, er wolle sich deine Diagnose noch mal vornehmen und einen Kollegen in Uddevalla konsultieren, also du wirst sehen, die Sache kommt schon bald in Ordnung.«
    Nachdem sie die Decke abermals um ihren Patienten fixiert hatte, nahm Lilian das Tablett mit der jetzt leeren Suppenschüssel und ging zur Treppe. Sie schüttelte den Kopf. Jetzt war sie obendrein gezwungen, Krankenschwester zu spielen, neben all dem anderen, worum sie sich zu kümmern hatte.
    Ein Klopfen teilte ihr mit, daß jemand vor der Tür stand, und sie lief eilig die Treppe hinunter.
     
    Die Hand fiel schwer gegen die Tür. Der Wind um sie herum hatte sich mit verblüffender Geschwindigkeit zum Sturm ausgewachsen. Feine Wassertröpfchen sprühten wie Regen auf sie herab, aber sie kamen nicht von oben, sondern von hinten, ein dünner Schleier, den die Sturmböen vom Wasser an Land peitschten. Der Himmel war von hellgrauer Färbung mit Wolkenstrichen in dunklerem Grau, und auf dem schmutzigbraunen Meer, das sich weit von seinem sommerlichen, blaufunkelnden Wesen entfernt hatte, trugen die Wellenkämme jetzt weiße Schaumkronen. Das Meer hat Katzenpfötchen, pflegte Patriks Mutter zu sagen.
    Die Tür vor ihnen öffnete sich, Patrik und Martin atmeten tief durch, um die zusätzlichen Kraftreserven zu mobilisieren, die sie in sich vermuteten. Die Frau vor ihnen war einen Kopf kleiner als Patrik, äußerst dünn, und sie trug das dauergewellte, in einem unbestimmten Braun getönte Haar kurzgeschnitten. Die Augenbrauen waren allzu heftig gezupft und durch ein paar Striche mit dem Kajalstift ersetzt, was ihr ein leicht komisches Aussehen verlieh. Doch war nichts Komisches an der Situation, in der sie sich jetzt befanden.
    »Guten Tag, wir sind von der Polizei. Wir möchten Charlotte Klinga sprechen.«
    »Das ist meine Tochter. Worum geht’s?«
    Ihre Stimme war etwas zu schrill, um als angenehm gelten zu können, und Patrik hatte von Erica genug über Charlottes Mutter gehört, um zu begreifen, wie anstrengend es sein mußte, sie den ganzen Tag zu hören. Aber all solche Kleinigkeiten waren jetzt bedeutungslos.
    »Wir möchten, daß Sie Ihre Tochter holen.«
    »Ja aber, worum geht’s denn?«
    Patrik blieb hartnäckig. »Wir möchten zuerst mit Ihrer Tochter sprechen. Könnten Sie so freundlich sein und …« Schritte auf der Treppe unterbrachen ihn, und eine Sekunde darauf sah er Charlottes wohlbekanntes Gesicht in der Türöffnung auftauchen.
    »Ja hallo, Patrik! Wie schön, dich zu sehen! Was machst du hier?«
    Unversehens zeigte sich Unruhe in ihren Zügen. »Ist was mit Erica? Ich habe doch eben erst mit ihr geredet, und sie klang völlig okay, fand ich …«
    Patrik hob abwehrend die Hand. Martin stand schweigend an seiner Seite und fixierte ein Astloch in den Dielen. Normalerweise liebte er seinen Beruf, aber in diesem Moment verfluchte er den Augenblick, als er sich dazu entschlossen hatte, Polizist zu werden.
    »Können wir reinkommen?«
    »Jetzt machst du mir angst, Patrik. Was ist denn passiert?« Ihr kam ein Gedanke. »Geht es um Niclas, hatte er einen Autounfall, oder?«
    »Wir kommen zuerst rein.«
    Da weder Charlotte noch ihre Mutter imstande schienen, sich von der Stelle zu rühren, übernahm Patrik das Kommando und ging ihnen in die Küche voran, mit Martin im Schlepptau. Er registrierte zerstreut, daß sie die Schuhe nicht ausgezogen hatten und bestimmt feuchte, schmutzige Fußspuren hinterließen. Aber auch ein bißchen Schmutz würde jetzt keine Rolle spielen.
    Er bedeutete Charlotte und Lilian, sich ihnen gegenüber an den Tisch zu setzen, und sie gehorchten stumm. »Es tut mir leid, Charlotte, aber ich habe …«, er zögerte, »furchtbare Nachrichten für dich.« Die Worte rollten ihm steif von der Zunge. Seine Ausdrucksweise erschien ihm völlig falsch, aber gab es überhaupt eine richtige Weise, das, was er jetzt sagen mußte, auszudrücken?
    »Vor einer Stunde fand ein Hummerfischer ein kleines Mädchen, ertrunken. Es tut mir so schrecklich leid, Charlotte …« Dann versagte ihm die Stimme. Obwohl er die Worte in seinem Kopf formulierte, waren sie so entsetzlich, daß sie ihm nicht über die Lippen kamen. Aber er brauchte nicht mehr zu sagen.
    Charlotte schnappte mit einem röchelnden Laut nach Luft. Sie packte die Tischplatte mit beiden Händen, wie um sich aufrecht zu halten, und starrte Patrik mit leeren, aufgerissenen Augen an. In der Stille der Küche war es, als würde dieser eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher