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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale
Autoren: Leena Lehtolainen
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beiden Kinder verfolgt, Noora und ihren jetzt dreizehnjährigen Bruder Sami.
    Hanna hatte lange gezögert, die Polizei einzuschalten, vielleicht weil sie sich selbst die Schuld zuschrieb und sich wegen ihres Seitensprungs schämte. Viel hätte die Polizei ohnehin nicht ausrichten können, es ist nicht verboten, sich in der Nähe einer anderen Person aufzuhalten. Nach einem Jahr hatte Kauko Nieminen seinen Nebenbuhler schließlich verklagt. Das Urteil war verblüffend mild ausgefallen, Teräsvuori hatte nur ein paar tausend Mark Bußgeld zahlen müssen.
    Der Bericht ging kaum auf Einzelheiten ein. Nach Aussage der Nieminens hatte Teräsvuori am Telefon gedroht, Hanna oder ihren Angehörigen etwas anzutun, wenn sie nicht zu ihm zurückkäme. In der Akte lagen Kopien von einigen seiner Briefe, denn das Material, das Palo gesammelt hatte, war im Prozess als Beweismittel verwendet worden. Manche For-mulierungen fand ich so belastend, dass sie zumindest für eine Haftstrafe auf Bewährung ausgereicht hätten.
    Liebe Hanna!
    Du bist die Frau meines Lebens, ohne dich kann ich nicht existie-ren. Ohne dich ist meine Welt öde wie die Sahara. Mein Mantel braucht weder Nadel noch Faden, aber meine Seele dürstet nach besserer Gesellschaft, und genau das bist du. Wenn ich dich nicht haben kann, sollst du auch keinem anderen gehören, ich will dich mitnehmen ins Märchenland des Todes, wo wir für immer vereint sind.
    Hanna, meine Liebste, mein teuerster Schatz!
    Warum hast du aufgelegt, als du meine Stimme hörtest? Ich will dir doch nichts Böses, ich möchte nur in deiner Nähe sein. Aber auf deinen Mann bin ich eifersüchtig, was siehst du nur in diesem glatzköpfigen Fettsack? Du hast selbst gesagt, dass es Kauko an Herzenswärme mangelt. Wenn du nicht die Kraft hast, ihn abzuschütteln, überlass die Sache ruhig mir. Nur ein Wort, und Kauko ist Vergangenheit und kann dir nie mehr wehtun.
    Ich las den Abschlussbericht sorgfältig durch. Es hatte Drohungen in Hülle und Fülle gegeben, und da die letzten Eintragungen vom November stammten, hatte Teräsvuori offenbar auch nach dem Prozess keine Ruhe gegeben. Vor ein paar Wochen bei der Eisshow hatte ich selbst gesehen, wie er Noora Blumen zuwarf. Hatten sich die Nieminens allmählich mit der Situation abgefunden, nachdem so lange nichts wirklich Gefährliches geschehen war? War Vesku Teräsvuori daraufhin endgültig übergeschnappt, hatte er sich an Hanna gerächt, indem er Noora, ihren ganzen Stolz, ums Leben brachte?
    Die Sache schmeckte mir überhaupt nicht, sie war von vorn bis hinten widerwärtig. An sich waren unangenehme Fälle alltäglich für mich, als Kripobeamtin musste ich ja ständig in anderer Leute Mist wühlen, trotzdem ekelte mich dieser Fall besonders an.
    Vesku Teräsvuori, der Karaokekönig. Vor einigen Jahren hatte er einen Karaokewettbewerb im Fernsehen gewonnen und war vorübergehend in die Promiriege aufgestiegen. Er verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit Karaokeshows in Restaurants und auf Kreuzfahrten. Ich war ihm einmal begegnet, auf dem Polterabend von Jyri, mit dem Antti früher im Chor gesungen hatte. Auf dem Programm des Abends stand eine Karaokeserenade des Bräutigams an die anwe-senden Frauen. Jyri hatte Fougstedts Romanze wunderschön gesungen, worüber Teräsvuori sich zu ärgern schien.
    «Mit Serenaden kennt der Chorknabe sich aus», hatte er übers Mikrophon gewitzelt. «Aber wie steht’s mit Rock’n’
    Roll? Ich hätte Blue Suede Shoes zu bieten.»
    Den ElvisHit hatte Jyri problemlos hingelegt, aber danach war unsere Gruppe endgültig in Ungnade gefallen. Antti hatte eine Stunde gewartet, um einen alten Schlager von Kirka zu singen, den er nach dem fünften Bier immer trällerte. Als er endlich an der Reihe gewesen wäre, hatte Teräsvuori die Show beendet. Ich war in Versuchung geraten, mich als Polizistin auszuweisen und den Karaokekönig herumzukommandieren, aber da ich mindestens sieben Anisschnäpse intus hatte, hätte ich mich nur lächerlich gemacht. Im Übrigen hatte Vesku Teräsvuoris überentwickeltes Ego uns den Polterabend nicht verderben können. Antti und ich waren am nächsten Morgen mit dem schlimmsten Kater des Jahrhun-derts erwacht, und der Bräutigam war kaum fähig gewesen, zur Hochzeit zu erscheinen.
    Elena Grigorieva, Ulrika Weissenberg, Vesku Teräsvuori …
    Die Zeugen, die ich im Fall Noora Nieminen zu befragen hatte, waren nicht die angenehmsten Zeitgenossen. Ich suchte Teräsvuoris Anschrift heraus, er
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