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Die Todespfeiler

Die Todespfeiler

Titel: Die Todespfeiler
Autoren: Hans Kneifel
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hockte auf einem Stapel aus Abfallholz, tauchte seine Hände in das Wasser und reinigte seine Finger mit feinem Sand und einer Paste, die aus Pflanzensäften und mit seltsamem Pulver gekochtem Tierfett bestand. Das Wasser war voller Schaum; das Harz des Holzes, das Erdpech und selbst die Säure, die aus den nassen Brettern gequollen war, lösten sich von seiner Haut. Als er mit den Fingern fertig war, reinigte er die Unterarme und zuletzt die Achseln. Prinz Odam, halbnackt und mit seinen harten Muskeln, über denen in der Haut keine Unze Fett lag, gesellte sich zu ihm.
    Necron schaute auf und beachtete die Orankonier nicht, die neugierig seinem Treiben zusahen.
    »Ich hasse den Gedanken«, sagte Necron in vergnügtem Ton, »allzu schmutzig in der Dunkelzone zu erscheinen.«
    »Wir sind fertig«, antwortete der Alptraumritter, der einst der »Herrscher der Düsterzone« genannt worden war, mit seiner leisen, melancholischen Stimme. »Wann legen wir ab?«
    »Morgen, beim ersten Licht«, antwortete Necron. »Wenn nicht gerade wieder die Todespfeiler zu heulen beginnen.«
    Das schmale Gesicht mit den harten Zügen verzog sich zu einem Lächeln. Necron fragte:
    »Worüber lächelst du?«
    Handwerker und Seeleute schafften gerade die Abfälle ihrer Arbeit von Bord und türmten sie zu Haufen am Kai. Kinder rannten herbei und schleppten die kleinen Bretter weg und alles andere, woraus sich Spielzeug machen ließ.
    »Über dich, Alptraumritter Necron«, war die leise Antwort. Necron blickte Odam fragend an, aber dann mußte auch er lächeln.
    »Dein Gesicht, Freund«, begann Prinz Odam, »verrät nicht alles. Aber vieles kann ich darin lesen. Du denkst an Ash’Caron und an das Wort vom Schwert und der Magie gegen die Dämonen. Du denkst, daß es ein glänzender Einfall wäre, die nächste Periode des Wahnsinns geschützt im Schiff abzuwarten. Weiterhin denkst du daran, kurz danach dem Troll endlich einen Besuch abzustatten. Vielleicht meinst du auch, daß wir ihn dazu bringen können, sein Vorgehen zu ändern – oder etwas dergleichen. Und dann, selbstverständlich, wirst du den Befehl zum Ablegen geben.«
    Necrons Lächeln war immer breiter geworden. Jetzt grinste er voller Vergnügen.
    »In der Tat. Das alles denke ich. An einem schönen Tag wie heute…«
    Der Tag war hell, aber keineswegs schön. Es gab in der Düsterzone keine schönen Tage. Der graue Nebel, der heute so dicht war, daß der Horizont jenseits der Hafeneinfahrt und die Wälder hinter den kargen Feldern mit dem Himmel verschmolzen, schluckte die Sonne. Nur an zwei Stellen bahnten sich die schrägen Strahlen der Vormittagssonne einen schmalen Weg durch die Schicht, die aussah, als habe es vor kurzer Zeit ein gewaltiges Feuer gegeben.
    »Selbst an diesem herrlichen, sonnigen Tag«, widersprach Odam, »ist es gefährlich. Verlassen wir das Schiff, schwächen wir unsere Verteidigung. Sind wir zu wenige, sind wir hilflos in den Händen des Trolls.«
    Necron hob die Schultern und fing an, sich mit einem großen weichen Tuch abzutrocknen.
    »Du, ich, einige deiner Krieger, im Schutz der Schlackenhelme, insgesamt ein Dutzend. Wenn wir Waffen mitnehmen, sind wir nicht schutzlos. Dort oben im Palast, wie Kezarim sich auszudrücken beliebte, haust Skalef. Es sind zwölf hundert Schritte bis hierher.«
    »Und vermutlich zwölfhundert Lauscher und Stürmer.«
    »Sie werden schlafen oder sich verkrochen haben, die Stürmer.«
    »Nicht aber die Lauscher. Ich weiß nicht, wen ich mehr fürchten muß.«
    »Richtig. Wenn selbst Exyll, der Wahnhaller, der alle Gefahren kannte, sich gefangennehmen ließ…«
    Als hätten die Lauscher hören können, was die beiden Männer miteinander sprachen, erschien etwa ein Dutzend von ihnen. Sie kamen aus dem wuchtigen Torbogen neben der Schenke hervor. Odams und Necrons Augen richteten sich auf die Männer. Eine düstere Stimmung verbreiteten die Lauscher, an deren Spitze sie Kezarim erkannten. Die Helme und die trichterförmigen Gerätschaften darauf schwankten bei jedem Schritt hin und her. Eine Magd verschwand hastig im Innern der Schenke.
    »Kezarim mit seinen schauerlichen Gestalten!« sagte Necron. Klappen öffneten sich im Heck der Guinhan, dann schoben sich einige Seeleute durch die Luken und betrachteten wachsam die Näherkommenden.
    »Sie kommen zu uns, ohne Zweifel.«
    Necron faltete das Tuch zusammen, warf es über seine Schultern und rieb seine Haut mit einer durchscheinenden Paste ein, die nach frischen Kräutern roch und
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