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Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Tuchkaufmanns: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susann Rosemann
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»Wirst du Vater gehorchen und in das Kloster gehen?« Sie gab sich
die Antwort selbst: »Nein, natürlich nicht. Du bleibst bei der Alten in ihrer Burg,
nicht wahr?«
    Jolanthe
lächelte. Ihre Schwester hatte doch immer ein Gespür dafür, wo es etwas zu holen
gab. Nun hatte sie also Vicos Erfolg mit dem Laden erkannt. »Vermutlich«, antwortete
sie.
    »Du hast
mir immer vorgeworfen, Schuld an Mutters Tod zu sein. Es hätte sie niemand retten
können. Schau, jetzt erwarte ich ein Kind und weiß, was alles falschlaufen kann«,
sagte Sieglinde.
    Jolanthe
ließ ihren Blick über die Waren in den Regalen wandern, um Zeit zu gewinnen, doch
Sieglinde wartete nicht auf eine Antwort. Stattdessen lachte sie, und zu ihrem Erstaunen
hörte Jolanthe etwas Heiteres aus einem Lachen der Schwester heraus. »Mit diesem
Laden hier planen wir Großes, wünsch uns Glück, dass es uns gelingt.«
    »Und Vater?«
    »Ich kümmere
mich um ihn.«
    Jolanthe
spürte in sich nach, ob die Neuigkeiten ihr etwas bedeuteten, doch da war nichts,
kein Drang, zum Vater zu gehen und ihn zu unterstützen. Stattdessen fühlte sie die
unbändige Kraft der Freiheit – stand ihr nicht alles offen, hier und jetzt? Die
ganze Welt.
    Jolanthe
hob die Hand, berührte damit sanft Sieglindes und wandte sich dann zum Gehen. »Gott
wird euch beschützen.«
     
    Jolanthe suchte Pascal in seiner
Unterkunft, doch der Wirt sagte ihr, sein Gast habe sich am Morgen verabschiedet
und kurze Zeit darauf sein Gepäck abholen lassen. Sie wollte das nicht glauben.
Zurück auf der Straße blickte sie hoch in den Himmel, an dem weiße Wolkenbäusche
vorbeizogen und blassblaue Flecken dazwischen sichtbar ließen.
    Er konnte
nicht einfach so abgereist sein, ohne sich von ihr zu verabschieden. Also, wo würde
sie ihn am ehesten finden? Sie hastete in Richtung des Kaufhauses der Tuchkaufleute.
Dort herrschte wie immer reges Treiben. Drinnen stieß sie gegen Mathies, der sie
an den Schultern fasste und sie hielt, bis sie ihr Gleichgewicht wiedergewonnen
hatte.
    »Wo ist
Pascal?«
    Mathies
ließ sie vorsichtig los, so als wolle er testen, ob sie sich gerade hielt oder doch
noch fiel. »Warum so stürmisch, junge Frau?«
    »Ist er
abgereist?« Natürlich gab sie kein Bild der Überlegenheit ab, doch das war ihr gleich.
Sie wollte wissen, wo Pascal steckte, das war wichtiger als jede Schauspielerei.
    »Er wollte
zurück nach Paris, doch ob heute schon oder morgen erst, davon weiß ich nichts.«
    »Das kann
nicht sein! Er hat sich nicht von mir verabschiedet.«
    Mathies
betrachtete sie. Entweder besaß er so wenig Feingefühl, dass ihm die Lage nicht
klar wurde, oder ihre Aufregung war ihm gleichgültig.
    »Ihr ward
nicht eben freundlich zu ihm beim letzten Zusammentreffen. Vielleicht liegt es daran«,
meinte er spöttisch.
    »Trotzdem.
So etwas ist ungehörig, das kann er doch nicht tun!« Es hatte keinen Sinn, hier
kam sie nicht weiter. Mathies wollte ihr nicht helfen, vielleicht konnte er es auch
nicht. Jolanthe drehte sich mit einem Schwung und lief zum Ausgang. Auch draußen
auf dem Fischmarkt konnte sie Pascal nicht finden. Blieben nur noch der Münsterturm
oder sein Lieblingsplatz an der Donau. Wo würde er sich am ehesten von der Stadt
verabschieden, wenn nicht hoch über ihr, mit allen Straßen und Gassen und Häusern
im Überblick?
    Die ersten
Stufen rannte sie, bis ihr das Atmen solche Schmerzen in der Brust bereitete, dass
sie ein paar Augenblicke stehen bleiben musste, um ihren Herzschlag zu beruhigen.
Sie zählte die Stufen. Der Blick aus den Fensteröffnungen störte sie nicht, es ging
in die Tiefe, na und? Als sie auf die Terrasse trat, hörte sie die Zurufe der Arbeiter
und ein Hämmern auf Stein. Ansonsten war sie allein.
    Sie ging
an die Brüstung und legte die Hände flach darauf, spürte den kühlen Stein und blickte
über die Dächer der Stadt. Irgendwo da unten war er, aber wo? Er durfte nicht einfach
so gehen.
    Sie schloss
die Augen. Gut, hier war Pascal nicht, aber vielleicht würde er an der Donau auf
sie warten und wenn nicht, so vielleicht bei Martha und wenn das auch nicht, dann … lohnte
es sich nicht, auch nur einen weiteren Gedanken an ihn zu verschwenden.
    Hinab ging
sie die Treppen in gemäßigtem Tempo. Mit den Fingern fuhr sie die Wölbung der Mauer
entlang. Unten angekommen überquerte sie den Platz, lief durch das Stadttor, das
zum Donauufer führte und bog ab. Nach ein paar Schritten konnte sie den Ast sehen,
der sich über das Wasser streckte.
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