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Die Tochter des Königs

Titel: Die Tochter des Königs
Autoren: Barbara Erskine
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ernst. Wein steht im Kühlschrank. Bis bald! S. ich ernst . Wein steht im Kühlschrnak . Bis bald! S .
     
    Jess beschloss, sich das größte Gästezimmer zu nehmen. Darin standen ein Doppelbett mit einem Patchwork-Quilt obenauf, eine alte Kiefernkommode, ein antiker französischer Schrank und reichlich Regale für ihre Bücher. Auf den polierten Eichendielen lag ein wunderschöner, etwas abgetretener afghanischer Läufer. Außerdem hatte das Zimmer hinter dem ausladenden Kamin ein eigenes, leicht antiquiertes Bad, das früher einmal wohl ein weiterer Raum
gewesen war. Vorsichtig stellte Jess die kleinere ihrer zwei Zimmerpflanzen, ein prächtiges Flammendes Käthchen in voller Blüte, aufs Fensterbrett. Die andere Pflanze, ein Bogenhanf - ein Geschenk von William, das die Trennung nur knapp überlebt hatte, weil sie mit Dingen um sich geworfen hatte -, stellte sie ins Badezimmer. Es war so groß, dass dort nicht nur eine antike Kommode Platz hatte, sondern auch eine uralte, ächzende Sitzbank, die mit einem exotischen scharlachroten Tuch bedeckt war, sowie ein weiteres Bücherregal, das neben der Badewanne stand.
    Jess schlenderte ins Wohnzimmer, in dem der offene Kamin sauber gekehrt und mit Trockenblumen geschmückt war, und weiter ins Esszimmer mit dem langen Tisch, an dem so oft plaudernde, debattierende, lärmende Menschen saßen. Steph war eine abenteuerliche Köchin und nicht immer erfolgreich; oft kamen ihr fähigere Gäste zur Hilfe, um eine kulinarische Krise zu entschärfen, und keinen schien es im mindesten zu stören, in letzter Minute als Küchenchef einzuspringen. Bei der Erinnerung lächelte Jess liebevoll. Sie ging weiter in die große altmodische Küche, in der ungewohnte Ordnung herrschte, und von dort in den modernen Durchgang mit den kleinen Giebelfenstern, der sich architektonisch an den vierhundert Jahre alten Viehstall anpasste, den sich Steph zum Atelier ausgebaut hatte. Als Jess dort in der Tür stand, betrachtete sie die Materialien auf den Regalen, die neu getöpferten Gefäße sorgsam in Kisten verstaut, die kunsthandwerklichen Stücke, die Steph durch Galerien in Radnor, Hereford und Hay verkaufte, die Haufen von Tonscherben. Jess fand es entsetzlich, das Atelier in diesem Zustand zu sehen, so leer wie das Haus, der Brennofen kalt. Ohne ihre Schwester fehlte dem Raum einfach die Seele. Ein paar Sekunden blieb sie stehen und lauschte dem Vogelgesang, dann machte sie
schaudernd kehrt, schloss das Atelier ab und ging in die Küche zurück.
    Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen hierherzukommen, während Steph nicht da war.
    Warum hatte ihre Schwester nicht sofort gesagt: »Komm doch mit! Komm mit nach Rom. Komm in die Sonne!« Wütend schaute Jess zu den Pflanzen, die hinter der Spüle auf dem Fenstersims aufgereiht standen. »Das ist bloß eure Schuld«, sagte sie laut. »Ich muss hier Pflanzen hüten. So habe ich mir das nicht vorgestellt!«
    Sie runzelte die Stirn. Sie hatte sich vorgenommen zu malen. London und das, was dort passiert war, zu vergessen. Nach vorn zu schauen und nicht zurück. Der Gedanke munterte sie auf. Plötzlich konnte sie es nicht erwarten, ihren Skizzenblock zu öffnen und einen Stift oder Pinsel in die Hand zu nehmen. Sie wollte alles festhalten, Bäume, die Silhouette der Berge, die warmen, weichen Konturen der Steine in den Mauern, die Farben der Blumen. Es würde eine gute Zeit werden.
     
    In der Nacht hatte Jess wieder den gleichen Traum. Sie stand vor der Haustür und schaute über den Hof zum offenen Tor und dem dahinterliegenden Wald. Die Äste der Bäume bewegten sich heftig, sie ahnte, dass ein Unwetter das breite Flusstal unterhalb der Felder heraufzog. Die Stimme, die erklang, war dünn und zittrig.
    Können wir jetzt mit dem Spiel aufhören? Ich habe Angst.
    Sie kam von irgendwo aus dem Wald, ging im Geräusch der Regentropfen auf dem Laub fast unter.
    »Wo bist du?« Jess lief zum Tor. »Komm rein. Gleich gießt es. Komm her, mein Herz. Hier passiert dir nichts.«
    Der Regen wurde immer stärker. Sie spürte, wie er ihre Jacke und ihre Haare durchnässte. Ihre Finger rutschten an
der obersten Torstange ab, während sie in die Dunkelheit spähte. »Wo bist du?«
    Ein Blitz erhellte den Pfad, und in der Ferne konnte sie das Kind ausmachen, ein kleines Mädchen, dessen blondes Haar ihm strähnig über die Schultern hing, das Gesicht flehentlich, dann war es wieder in der Dunkelheit verschwunden.
    »Warte! Ich komme! Bleib stehen.« Jess
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