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Die Tochter des Ketzers

Die Tochter des Ketzers

Titel: Die Tochter des Ketzers
Autoren: Julia Kröhn
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dass sie die aufgeregten Worte falsch verstanden hätte, die da ins nächtliche Zimmer geschwappt waren. Unmöglich, dass Lorda so dumm gewesen war, Ketzern, die sich im Wald versteckten, Essen zu bringen! Unmöglich, dass finstere Franzosen das Haus gestürmt hatten, um ... um es anzuzünden!
    Freilich – der Vater hatte die Franzosen stets gefürchtet, vor allem einen von ihnen, den Nachbarn, dessen Grundstück man dem früheren okzitanischen Besitzer enteignet hatte. Er hieß Laurent Gui. »Unser Haus deucht ihn gewiss zu ärmlich und zu klein, um es haben zu wollen, sein eigenes hat viel mehr Räume, sogar ein zweites Stockwerk«, hatte Caterina den Vater einmal über den Nachbarn sagen hören, »aber die Wiesen und die Felder ... sie würden seinen Besitz vergrößern ...«
    Unausgesprochen ließ er damals, was Caterina jetzo dachte: Dass es am leichtesten war, jemandem den Grund und Boden zu stehlen, ja, ihn aus dem Weg zu schaffen, wenn man ihn der Ketzerei anklagte. Doch hatte der Vater nicht eben noch verzweifelt einzumahnen versucht, dass hierfür ein Prozess vor dem Inquisitionsgericht notwendig wäre?
    Niemand hatte sieh um seine Worte geschert. Totenstill war es jetzt, nur das Prasseln wurde lauter. Es schien näher zu kommen, sie von allen Seiten einzukreisen; schon vermeinte sie bitteren Rauch in ihrem Mund zu schmecken. Caterina vergrub sich zuerst tief im Bett, hoffte, es möge ihr Zuflucht sein wie stets vor den Ängsten der Nacht. Doch unter der schweren Decke brach ihr der Schweiß hervor. Sie stand auf, zog über ihr dünnes Unterkleid das Obergewand aus Wolle, zögerte wieder eine Weile – schließlich durfte sie das Zimmer nicht ohne Erlaubnis des Vaters verlassen.
    Noch während sie unschlüssig verharrte, schwollen die lauten Stimmen wieder an; diesmal kamen sie vom Erdgeschoss. Fremde Stimmen, gereizt und zugleich höhnend, und vertraute Stimmen, nein eigentlich keine Stimmen, Kreischen, schrill und panisch. Die Franzosen waren wohl nach unten gegangen, kaum hatten sie das Haus in Brand gesteckt, und Lorda und Pèire waren ihnen dorthin gefolgt. Lorda war es denn auch, die dieses Kreischen ausstieß, die flehte und bettelte und abstritt ... und schließlich verstummte. Zuvor ein polterndes Geräusch, als würde ein Holzscheit entzweigehauen.
    Caterina stockte das Herz. Sie wollte der Ahnung nicht nachgeben, die in ihr aufstieg. Nicht Lorda, nicht Lorda, hämmerte es in ihrem Kopf. Bitte lass es eine der Dienstmägde sein.
    Lorda war dumm und manchmal dreist, aber zugleich warm und weich, warum sollte man ihr Böses tun?
    Ihr Geräusch war kaum verebbt, da ertönten wieder kreischende Laute. Von einem der Knechte? Sie hoffte es, hoffte es so sehr. Es durfte nicht sein, dass der Vater schrie, so hoch, so unbeherrscht, er, der niemals ein lautes Wort sagte, selbst in Augenblicken tiefster Verbitterung nur heiser flüsterte. Wer erhebt seine Stimme, wenn nicht der Sünder, der versucht, sein Unrecht abzustreiten, hatte er stets behauptet. Im Übrigen würde es dem Sünder nie gelingen, seine Sünden zu leugnen. Nichts bliebe Gott verborgen; seine Engel hielten sämtliche Untaten des Menschen in einem ewigen Buch fest. Dagegen solle man nicht anplärren, sondern lediglich Buße tun.
    Doch es war tatsächlich der Vater, der ohrenbetäubend brüllte. Caterina glaubte Worte herauszuhören, wonach er erneut die Anklage abstritt, erklärte, dass es nur Lorda war, die mit den Ketzern paktierte, und er selbst einen Prozess ...
    Dann schien er mit einem Male nicht mehr fähig, irgendetwas zu erklären. Seine Schreie, durchsetzt von dumpfen, wuchtigen Schlägen, verkündeten keine vernünftigen Silben mehr ... nur Schmerzen, so heftige, so brutale, dass selbst ein beherrschter Mann wie er jegliche Macht über den zuckenden Leib verlor.
    Caterina presste die Hände derart fest ineinander, dass es schmerzte. Sie betete, versuchte es zumindest, doch so wie Pèire keine klaren Worte zustande brachte, verhaspelten sich desgleichen ihre in ihrem Kopf. Nur zu einem Gedanken war sie noch fähig. Gut, dass Mutter das nicht erleben muss. Gut, dass sie gestorben ist.
    Das war erst wenige Wochen her – und doch war es, als hätte es sich in einer anderen Welt zugetragen, die mit dieser hier nichts zu tun hatte.
    Die Schreie verebbten in einem Ächzen, das das gierige Prasseln der Flammen kaum übertönte. Caterina spürte, wie der Boden immer heißer wurde.
    »Weg da!«, schrie einer der fremden Männer. »Wir
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