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Die Tochter der Wanderhure

Titel: Die Tochter der Wanderhure
Autoren: Iny Lorentz
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vor der Halle fiel ihr ein, dass sie Peter nicht vom raschen Lauf erhitzt und auch nicht in einem alten Kleid entgegentreten wollte. Daher rannte sie die Treppe hinauf und verschwand schnell in ihrer Kammer. Da Uta nirgends zu sehen war, musste eine andere Magd ihr beim Umziehen helfen, und die verging beinahe vor Angst, etwas Falsches zu tun. Daher dauerte es länger als gewöhnlich, bis sie fertig war, und ihr Aussehen stellte sie keinesfalls zufrieden. Als sie die Kammer verließ, legte sie sich noch die Worte zurecht, mit der sie ihre Leibmagd schelten würde, weil sie ausgerechnet jetzt verschwunden war, und stieg die Treppe zur Halle hinab. Dort vergaß sie Uta sofort wieder, denn gleichzeitig mit ihr trafen weitere Gäste ein.
    Es handelte sich um Hertha von Steinsfeld und Bona, die von Hardwin begleitet wurden. Besonders herzlich schien die Begrüßung auf Steinsfeld nicht ausgefallen zu sein, denn der Junker wirkte verbissen. Seine Mutter maß ihn auch jetzt mit tadelnden Blicken, während Bona sichtlich mit den Tränen kämpfte. Ihnen folgte die Amme, die Bonas vor vier Monaten geborene Tochter bei sich trug. Hardwin schien das Kind bewusst zu übersehen, als nehme er der Kleinen übel, dass sie existierte.
    Marie erfasste die Gemütslage ihrer neuen Gäste mit einem Blick, tat aber so, als bemerke sie nichts, und begrüßte sie freundlich. Frau Hertha hatte zu den wenigen Nachbarn gehört, die während der großen Fehde zu ihr gehalten und sie insgeheim unterstützt hatten. Sie war sogar zu Markgraf Albrecht Achilles vorgedrungen, um diesen um Hilfe zu bitten. Zwar hatte der Brandenburger nicht viel getan, doch das wenige hatte zusammen mit dem Brief des Königs den Würzburger Bischof zum Einlenken bewegt. Aus diesem Grund war Hertha ihr doppeltwillkommen. Marie umarmte sie und bat sie, an ihrer linken Seite Platz zu nehmen.
    Hertha von Steinsfeld winkte ihrerseits Bona, sich neben sie zu setzen. Ihr Sohn ging auf die andere Seite der Tafel hinüber und blieb neben Peters Stuhl stehen.
    »Nun, wie war es?«, fragte dieser.
    Hardwin zog ein langes Gesicht. »Kaum war ich angekommen, ging es nur noch um das Kind. Sie haben es mir vor die Nase gehalten, es mir in die Arme gedrückt und nur noch von ihm geredet. Dabei bin ich mir vollkommen überflüssig vorgekommen.« Peter grinste geradezu unverschämt. Das Gejammer klang ganz nach dem alten Hardwin, jenem Schürzenkind, das von seiner Mutter auf ein Podest gestellt worden war. Wahrscheinlich hatte der Gute sich seine Heimkehr anders vorgestellt und fühlte sich nun zurückgesetzt. Peter stand geschmeidig auf und trat zu der Amme, die sich in einen Winkel gesetzt hatte und nicht wusste, ob sie der Kleinen angesichts der Herrschaften die Brust geben durfte oder mit ihm in die Küche gehen sollte. Peter nahm ihr das Kind ab, schaukelte es ein wenig in seinen Armen und kam dann mit ihm an seinen Platz zurück. »Ein prachtvolles Mädchen, Frau Bona. Sie sieht Euch sehr ähnlich und wird gewiss einmal ebenso schön werden wie Ihr!«
    Trudi kommentierte das Kompliment mit einem Schnauben und ärgerte sich gleichzeitig, weil Eichenloh sie nicht zu beachten schien. Hardwin wollte ebenfalls einen verächtlichen Laut ausstoßen, aber Bonas Gesicht und auch das strahlende Lächeln seiner Mutter verrieten ihm, dass sein Freund genau die richtigen Worte gewählt und die Herzen der beiden Frauen gewonnen hatte. Nun sah auch er sich das Kind genauer an und fand, dass es sich doch arg von Bona unterschied. Vor allem hatte es schon jetzt dieselben etwas tiefliegenden Augen wie er. Bei dieser Feststellung musste er schlucken. Zwar hatte er sich schon vorher mit dem Gedanken vertraut gemacht, der wirkliche Vater derKleinen zu sein, doch das Wissen hatte bisher noch keinen Widerhall in seinem Innern gefunden. Als das Kind ihn nun anlächelte, fühlte er sich auf einmal ganz anders.
    »Darf ich sie einmal halten?«, fragte er Bona.
    Ohne die Antwort abzuwarten, schob Peter ihm das Kind in die Arme und nahm seinen Becher zur Hand. »Auf die Kleine! Besäße ich einen Sohn, würde ich auf der Stelle eine Heirat zwischen den beiden aushandeln.«
    »Vielleicht besitzt Ihr Söhne, schämt Euch aber, Euch zu ihnen zu bekennen, da sie nur von Mägden und niederen Weibern stammen!« Aus dem Ärger heraus, bis jetzt von ihm missachtet zu werden, begann Trudi, gegen Peter zu sticheln.
    Dieser blickte sie an, als bemerke er jetzt erst ihre Anwesenheit. »Hätte ich Söhne, von denen ich
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