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Die Tochter der Suendenheilerin

Die Tochter der Suendenheilerin

Titel: Die Tochter der Suendenheilerin
Autoren: Melanie Metzenthin
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ganz so schlank war wie noch vor einigen Jahren.
    Auf einmal hatte Eberhard das Gefühl, dass sie sich über ihn lustig machte. Doch sofort schob er den Gedanken beiseite. Er hatte schließlich das Verlangen in ihren Augen leuchten sehen …

 1. Kapitel  
    A ntonia liebte die Abendstimmung auf Burg Birkenfeld,
wenn sich Handwerker und Gesinde in der Vorburg anschickten, ihr Tagewerk zu beschließen, und der Hof allenthalben von Scherzworten und Gelächter erfüllt war. Vor allem a n diesem Tag, da das Pfingstfest unmittelbar vor der Tür stand.
    Doch im Augenblick erregte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit. Ganz in der Nähe der Schmiede, in der Meister Mattes noch immer seinen Hammer schwang, saß Stephan von Cattenstedt auf einem Mauervorsprung und schliff sein Schwert. Stephan von Cattenstedt … Seit der junge Mann im letzten Herbst auf Burg Birkenfeld erschienen war, beschäftigte er Antonias Gedanken. Dabei war sie regelrecht erschrocken, als sie ihn zum ersten Mal erblickt hatte, denn eine lange Narbe entstellte sein Gesicht. Vom rechten Jochbeinbogen über die Wange hinweg bis zum Kinn, so breit wie ihr kleiner Finger. Ihr Vater hatte ihr erzählt, man habe Stephan auf dem letzten Kreuzzug für seine Tapferkeit zum Ritter geschlagen. Stammte die Narbe aus diesen Kämpfen? Wie gern hätte Antonia mehr über ihn erfahren, doch jedes Mal, wenn sie Stephan sah, empfand sie seltsame Scheu, die sie nur mit Mühe überspielen konnte. Ausgerechnet sie, der ihre Brüder nachsagten, sie würde noch dem Teufel in der Hölle das Feuerholz abschwatzen. Bei dem Gedanken daran stahl sich ein Lächeln auf ihre Züge. Sollte sie die Gelegenheit wirklich verstreichen lassen? Stephan war wortkarg, gewiss, aber niemals unhöflich.
    Sie beobachtete den jungen Ritter eine ganze Weile, bevor sie sich ein Herz fasste und auf ihn zuging.
    »Guten Abend, Herr Stephan«, begrüßte sie ihn mit aufgesetzter Munterkeit. Er hielt in seiner Arbeit kurz inne, hob den Blick und musterte sie. Er hatte wunderschöne dunkelblaue Augen, und ihr fiel zum wiederholten Male auf, dass er ohne die Narbe deutlich jünger ausgesehen hätte.
    »Guten Abend, Fräulein Antonia«, antwortete er artig, um sich sogleich wieder seinem Schwert zu widmen.
    »Sagt, Herr Stephan, warum schleift Ihr Euer Schwert? Wollt Ihr gegen Räuber zu Felde ziehen? Ich dachte, Ihr sollt morgen nur meine kleine Schwester sicher von Burg Hohnstein nach Birkenfeld zurückbegleiten.«
    »Ja.«
    »Ja, dass Ihr gegen Räuber ziehen wollt, oder ja, dass ihr meine kleine Schwester nach Hause begleiten werdet?«
    Er musterte sie mit hochgezogenen Brauen, sagte aber nichts.
    »Ihr seid heute nicht sonderlich redselig.«
    »Nein.«
    »Habt Ihr gar schlechte Laune?«
    »Nein.«
    »Könnt Ihr auch mit mehr als einer Silbe antworten, wenn Euch der Sinn danach steht?«
    »Gewiss.«
    »Wir machen Fortschritte«, stellte Antonia fest. »Brächtet Ihr auch drei Silben zuwege?«
    »Womöglich.«
    »Zwei Worte?«
    Er musterte sie mit gerunzelter Stirn. »Fräulein Antonia?«
    »Ja, Herr Stephan?« Sie lächelte ihn an.
    Er legte Schwert und Schleifstein beiseite. »Was wollt Ihr von mir?«
    »Nur ein wenig reden.«
    »Aha.«
    Sie setzte sich neben ihn auf den Mauervorsprung. »Ist das nicht ein wunderschöner Abend?«
    »Gewiss.«
    »Ich dachte immer, zu den ritterlichen Tugenden gehöre mehr, als ein Schwert zu schleifen. Die höfische Kunst des Gesprächs beispielsweise.«
    »So?«
    »Warum seid Ihr kein Freund gewandter Worte?«
    »Bin ich das nicht?«
    Antonia seufzte. »Ich merke schon, an Euch beiße ich mir die Zähne aus.«
    Sie erhob sich und blickte zum Burgtor, durch das soeben zwei Männer ritten. Ihre Brüder Alexander und Rudolf, die wie so oft gemeinsam auf der Jagd gewesen waren. Rudolf hatte einen stattlichen Rehbock quer vor seinem Sattel liegen.
    »Pfingstsonntag gibt es Rehbraten für alle!«, rief er stolz in den Hof, nahm Bogen und Köcher von der Schulter und warf sie einem Knecht zu, der beides geschickt auffing. Dann stieg er ab. Antonia lächelte. Ihr Ziehbruder Rudolf war das genaue Gegenteil von Stephan. Über alle Maßen redselig. Jedenfalls in seinen guten Zeiten. Alexander grinste nur und sprang ebenfalls vom Pferd.
    Hinter sich hörte sie wieder das Geräusch des Schleifsteins. Sie wandte sich um. Stephan hatte die Hemdsärmel hochgekrempelt und bearbeitete seine Klinge mit neuer Kraft. Die Funken sprühten nur so, und die Muskeln seiner Unterarme
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