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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe
Autoren: Astrid Fritz
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kniete nieder und netzte ihre Stirn mit dem Wasser des Flusses, der die sterblichen Überreste der beiden Liebenden aufgenommen hatte. Sie beschloss, auf dem Rückweg ins Münster zu gehen, um dort vier Kerzen zu entzünden und vier Ave Maria zu beten. Für Veit und Lene, für ihren Oheim Christoph und ihre Mutter.
    Endlich hatte sie die Kraft gefunden, Abschied zu nehmen. Nun würde sie die Orte von Catharinas Leben aufsuchen können.
    Von Mechtild hatte sie inzwischen Einzelheiten über den Nachlass ihrer Mutter erfahren. Einige Zeit nach der Hinrichtung war ein amtliches Schreiben der Stadt Freiburg nach Konstanz gegangen, mit der Mitteilung, dass die der Hexerei wegen verurteilte Malefikantin Catharina Stadellmenin laut Testament ihre Base zu Konstanz, Lene Schillerin, sowie deren Tochter Marthe-Marie Mangoltin als Erbinnen bestimmt habe. Nach Veräußerung von Haus, Grund und Inventar und nach Abzug der Geldbuße von zehn Pfund Rappen, der Ausgaben für die Turm- und Verfahrenskosten sowie der stattlichen Summe von 100   Gulden für die gewünschte Messe zu ihrem Seelenheil, gehalten durch den Stadtpfarrer des Münsters, sei von der Hinterlassenschaft für die Erbinnen kein Schilling übrig. Persönliche, von der Veräußerung ausgeschlossene Dinge seien desgleichen nicht vorhanden. An Lene in ihrem Schmerz war diese böse Nachricht vollkommen vorbeigegangen, doch Raimund hatte Mechtild und ihren Mann Berthold in einem Brief gebeten, in Erfahrung zu bringen, wer mit der Versteigerung betraut gewesen sei. Denn ihm käme es seltsam vor, dass der Erlös aus Catharinas Vermögen so gering gewesen sein sollte.
    Als Wirtsleute kannten Mechtild und Berthold in Freiburg Gott und die Welt, und sie hatten bald herausgefunden, das niemand anderes als der städtische Buchhalter Siferlin die Inventarisierung und Versteigerung beaufsichtigt hatte – jener Hartmann Siferlin, der seine frühere Brotherrin Catharina Stadellmenin maßgeblich bei der Obrigkeit angeschwärzt und damit auf den Scheiterhaufen gebracht hatte.
    «Dieser hinterhältige, hinkende Erzschelm», hatte Mechtild zu schimpfen begonnen, als sie Marthe-Marie davon berichtete. «Ich war mir sicher, dass der Kerl dich und Lene um euer Erbe betrogen hatte. Du musst wissen, schon als er noch Bantzers Compagnon war, hatte Catharina ihn in Verdacht, in die eigene Tasche zu wirtschaften.»
    «Ich weiß. Ich kenne die Geschichte aus Lenes Berichten. Doch dieser Teufel ist seiner gerechten Strafe ja am Ende nicht entgangen – aufs Rad geflochten ohne die Gnade der Enthauptung.»
    «Gott sei der armen Seele gnädig.» Die Wirtin deutete ein Kreuzzeichen an. «Dem hat hier in der Stadt sicher niemand eine Träne nachgeweint. Übrigens hatte ein gewisser Dr.   Textor als leitender Commissarius den Fall unter sich. Der hatte Siferlin wohl schon seit langem des Betrugs gegenüber der Stadt verdächtigt und ihn in kürzester Zeit der fortlaufenden Veruntreuung und Unterschlagung überführt. Ein tüchtiger Mann.»
    «Ein Henkersknecht, nichts anderes!» Marthe-Marie war erregt aufgesprungen. «Auch im Prozess gegen meine Mutter war er Commissarius. Er hat im Folterturm ihre ganze Geschichte aufgeschrieben, in den wenigen Augenblicken, in denen sie überhaupt fähig war zu sprechen. Angeblich, weil er sie für unschuldig hielt. Aber statt sich für sie einzusetzen, statt seinen Einfluss geltend zu machen, ist er einfach von seinem Amt als Untersuchungsrichter zurückgetreten, als ginge ihn die ganze Sache nichts an. Ein scheinheiliger Feigling, das war er!»
    Sie schlug die Hände vors Gesicht. Mechtild ließ ihr Zeit, sich zu fassen, dann fuhr sie in ihrem Bericht fort.
    Ihr Mann habe damals all seine Verbindungen zum Rat der Stadt spielen lassen, um Einsicht in die Inventarliste und in die Verkaufsurkunden zu erlangen, doch vergebens. Irgendwann hieß es dann, die Unterlagen seien bei einem Kellerbrand in den Archivräumen verkohlt.
    «Du kannst dir denken, dass mir diese Auskunft erst recht keine Ruhe gelassen hat, und so bin ich eines Tages schnurstracks in Siferlins Kontor marschiert. Mochte das Geld verloren sein, so mussten sich doch irgendwo die persönlichen Habseligkeiten Catharinas befinden, die sie für dich und Lene bestimmt hatte. Erst tat der Schweinehund so, als wisse er nicht, wovon ich spräche, undwollte mich schon durch einen Gerichtsdiener hinausbefördern, doch als ich sagte – Gott verzeihe mir die kleine Notlüge   –, ich stünde hier im
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