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Die Tochter der Hexe

Die Tochter der Hexe

Titel: Die Tochter der Hexe
Autoren: Astrid Fritz
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notariellen Auftrag von Marthe-Marie Mangoltin, wurde er plötzlich hellwach. ‹Kennt Ihr die Mangoltin persönlich?› – ‹Ja›, schwindelte ich ein zweites Mal. ‹Und ihr liegt viel daran, ein Andenken an ihre Muhme zu besitzen.› – ‹Meines Wissens war die Mangoltin noch nie hier in Freiburg, oder?› Ich fand seine Fragen höchst seltsam, entgegnete, dass Catharina dich zwei-, dreimal in Konstanz besucht habe und ihr euch Briefe geschrieben hättet, und wollte wissen, was das mit der Hinterlassenschaft zu tun habe. ‹Gute Frau, nach allem, was Ihr erzählt, können sich die beiden nicht allzu nahe gestanden sein. Außerdem war die Stadellmenin laut Gerichtsunterlagen nur eine Tante zweiten Grades, nämlich nur eine Base von der Mutter der Mangoltin, habe ich Recht?› Dann stand er auf und wies zur Tür. ‹Wenn die Mangoltin die leibliche Tochter dieser Hexe wäre, dann hätte sie Anspruch auf den Plunder. So aber –.› Dabei flackerte sein Blick wie ein Irrlicht, mir wurde ganz anders. Kurzum: Als ich nicht gleich gehen wollte, kam ein Büttel und schleppte mich mit Gewalt hinaus. Ich konnte gerade noch fragen, wo denn die Sachen seien. Weißt du, was Siferlin da geantwortet hat? ‹In der städtischen Abortgrube.› Mir würde speiübel – was für ein Ekel dieser Mensch war!»
    Marthe-Marie war bleich geworden. Dann war Siferlin dieser Freiburger Bürger, der ihr damals das Bildnis hatte zukommen lassen. Aber wenn sie doch angeblich keinen Anspruch darauf hatte? Und wo waren die anderen Hinterlassenschaften geblieben?
    «Irgendetwas stimmt da nicht», sagte sie, nachdem sie Mechtild von der Geschichte erzählt hatte. Die alte Wirtin nahm ihre Hand und drückte sie fest.
    «Ich bitte dich, Marthe-Marie, lass die Dinge ruhen. Dieser hinkende Bastard ist tot. Ein Andenken an deine Mutter hast du, und jetzt quäle dich nicht mehr mit unnützen Gedanken.»
     
    Marthe-Marie verbrachte in den folgenden Tagen viele Stunden damit, mit ihrer kleinen Tochter auf dem Rücken die Stadt zu durchwandern.
    So stand sie lange Momente vor Catharinas Elternhaus, dem schäbigen Fachwerkhäuschen im Mühlen- und Gerberviertel auf der Insel, wo es nach Lohe, geschabten Häuten und Schlachtabfällen stank, bis Agnes vor Hunger zu weinen begann. Sie wagte einen kurzen Blick in den «Rappen», jene verrufene Schenke in der Neuburgvorstadt, wo ihre Mutter ihre erste Stellung angetreten hatte, und ließ sich von Mechtild das kleine helle Zimmer in dem Gesindehäuschen zeigen, das Catharina während ihrer Zeit im «Schneckenwirtshaus» bewohnt hatte.
    Sie verbarg sich im Schutz der hölzernen Lauben auf der Großen Gasse, als sie beklommen das Haus zum Kehrhaken beobachtete, das in seiner Größe und Vornehmheit ihr eigenes Elternhaus in Konstanz in den Schatten stellte: ein dreistöckiger Fachwerkbau mit mächtigem Erdgeschoss aus Stein. Hier hatte Catharina ihre unglücklichen Ehejahre mit dem Schlossermeister Bantzer verbracht. Durch das offene Hoftor war das rhythmische Hämmern auf Metall deutlich zu hören – noch immer befand sich im Hinterhaus eine Schlosserwerkstatt. Und wie ein Blitz traf sie die Erkenntnis: Dort hatte ihr leiblicher Vater als Geselle gearbeitet.
    Ein andermal überquerte sie den stillen, mit einer alten Linde bestandenen Platz, der eingefasst war von den Mauern des Franziskanerklosters, vom Kollegiengebäude der Universität und der Ratskanzlei, wo der Magistrat über Catharinas Schicksal gerichtet hatte. Unwillkürlich bekreuzigte sie sich und eilte weiter in Richtung Predigerkloster, bis sie rechter Hand die Schiffsgasse erreichte. Das schmale Haus zur guten Stund schien unbewohnt, die Fensterhöhlen waren mit Brettern vernagelt. Ein toter Ort, wo noch vor wenigen Jahren Catharina als Witwe ihre glücklichsten Jahre verbracht hatte, wo sie Bier gebraut, mit ihren Freunden gefeiertund mit Christoph viele gemeinsame Tage und Nächte verbracht hatte. Marthe-Marie erinnerte sich an einen Satz, den Catharina ihr einmal geschrieben hatte: Die Jungfrau gehört dem Vater, die Ehefrau dem Gatten, nur die Witwe gehört sich selbst.
    «Wollt Ihr das Haus kaufen?» Ein Mann, dessen vierkantiges Samtbarett ihn als Magister der Universität auswies, musterte sie eindringlich.
    «Nein, nein.» Sie hatte das Gefühl, bei einer verbotenen Handlung ertappt worden zu sein. «Ich frage mich nur, warum das hübsche Haus leer steht. Entschuldigt mich jetzt, ich muss weiter.»
    «Das Haus wäre aber zu einem
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