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Die Tiefen deines Herzens

Die Tiefen deines Herzens

Titel: Die Tiefen deines Herzens
Autoren: Antje Szillat
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begleitet wie schon unzählige Male zuvor. Doch diesmal war alles anders gewesen. Ein Talentscout des Hamburger SV hatte sich unter die Zuschauer gemischt, der eigens wegen Felix angereist war. Und ich hatte meinem Freund dabei zusehen müssen, wie er seinem Traum nachjagte. Wie er übers Spielfeld wirbelte, geduldig und zäh seine Gegner bedrängend, ohne Rücksicht auf Verluste. Das Ziel vor Augen, es vom holprigen Platz der A-Jugend auf das gepflegte Grün eines Bundesligavereins zu schaffen.
    All die Mädchen, die in den letzten zwei, drei Jahren an der Seitenlinie herumgelungert hatten, waren mir nicht annähernd so bedrohlich vorgekommen wie der hochgewachsene, dunkelhaarige Mann auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes.
    Ich wusste, dass dem Talentscout gefiel, was er da von Felix geboten bekam. Wenn der Mann seinen Job auch nur ansatzweise verstand, konnte er nicht anders, als ihn auf der Stelle für seinen Verein zu verpflichten. Und das war auch der Grund, warum sich mein Magen schmerzhaft zusammenzog und sich ein banges Gefühl in meinem Körper ausbreitete. Felix würde fortgehen. Wenn nicht heute mit diesem Talentscout nach Hamburg, dann ohne Frage morgen oder übermorgen zu einem anderen Verein.
    Ja, ja, du treuloser Kerl, zeig ihnen, wie talentiert du bist!, schoss es mir voller Zorn durch den Kopf, und das erste Mal, seitdem ich Felix kannte, spürte ich, wie die Eifersucht kochend heiß in mir loderte.
    Nach dem Spiel waren wir zusammen mit der Mannschaft und einigen anderen Vereinsmitgliedern ins Clubhaus gegangen. Felix’ Vater wollte es sich nicht nehmen lassen, eine Runde auszugeben. Der Talentscout hatte Felix zum Sichtungstermin nach Hamburg eingeladen und das musste natürlich ausgiebig gefeiert werden.
    Je mehr Bier floss, desto lauter und ausgelassener wurde die Stimmung und die Luft im kleinen Clubhaus von Minute zu Minute schlechter. Zum Zerschneiden dick.
    In meinem Kopf begann es zu pochen, und es flimmerte vor meinen Augen, als ob lauter kleine Blitze davor tanzen würden.
    Unauffällig massierte ich mir mit den Zeigefingern die Schläfen. Doch Felix, der direkt neben mir saß, hatte es natürlich bemerkt.
    »Hast du Kopfschmerzen? Bist du deshalb so still?«, fragte er mich besorgt.
    Ich schaute ihn an. In seinen Augen lag so viel Freude, seine Wangen waren vor Aufregung gerötet. – Nein, so egoistisch konnte ich nicht sein!
    Plötzlich schämte ich mich. Wie konnte ich Felix nur diesen Moment vermiesen? Ihm womöglich ein schlechtes Gewissen machen, nur weil ich nicht damit klarkam, dass sich sein Leben verändern würde?
    »Nein, nein, alles okay«, sagte ich und bemühte mich zu lächeln.
    Felix blickte mich forschend an. Dann hob er die Hand und strich mir eine lange blonde Haarsträhne aus der Stirn. »Sollen wir lieber gehen?«
    Ich beeilte mich, den Kopf zu schütteln, was den Schmerz noch verstärkte. »Quatsch! Es ist nicht so schlimm«, murmelte ich.
    Doch Felix konnte ich nichts vormachen. »Es geht dir nicht gut. Das sehe ich dir an. Komm, lass uns hier abhauen. Ich brauche auch dringend frische Luft.«
    Er erhob sich, aber ich zögerte noch. »Und dein Vater?«
    Felix warf einen kurzen Blick ans gegenüberliegende Tischende. Doch sein Vater hatte noch nicht einmal bemerkt, dass er aufgestanden war, so sehr war er in das Gespräch mit den Männern um ihn herum vertieft.
    Felix grinste mich an. »Ich glaube, um den brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Der ist glücklich, dass er mit mir angeben kann.« Dann ergriff er meine Hand und zog mich mit sich aus dem Clubhaus und ich ließ es einfach geschehen.
    Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander durch die Dämmerung, bis Felix schließlich die ungewohnte Stille zwischen uns durchbrach. »Möchtest du mir nicht verraten, was eigentlich mit dir los ist?«
    »Hab ich doch«, erwiderte ich eine Spur zu heftig. »Ich habe nur ein wenig Kopfschmerzen.« Was ja noch nicht einmal gelogen war. Dennoch klang es in meinen Ohren nach einer lahmen Ausrede.
    »Aha«, sagte Felix und danach herrschte erneut diese undurchdringliche Stille zwischen uns.
    Ich schämte mich für meine Kopfschmerzen, weil sie mir so vorgeschoben, so herbeigewünscht vorkamen, weil ich nicht in der Lage war, mich für Felix zu freuen. Aus purem Egoismus.
    Als ob ich laut gedacht hätte, blieb Felix mit einem Mal stehen. »Weißt du eigentlich, dass ich manchmal ganz schön eifersüchtig auf Geena bin?«, sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf,
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