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Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid

Titel: Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
Autoren: Åsa Camilla;Träff Grebe
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werden.
     
    Später werden Männer kommen, die sie noch nie gesehen haben und ihren Namen nicht kennen, um sie abzuholen. Sie
packen ihre schmalen, steifen Hände mit ihren groben, drehen und heben sie ohne viel Federlesens auf eine kalte Bahre, bedecken sie mit Plastik und entfernen sich mit ihr weit, weit weg von ihrem Zuhause.
    Sie wird auf einen Metalltisch gelegt werden, neben die chirurgischen Instrumente, die sie öffnen sollen und – hoffentlich – das Rätsel lösen, das Unerklärliche erklären, das Gleichgewicht wiederherstellen können. Klarheit in das bringen, was niemand versteht.
    Einen Abschluss schaffen und vielleicht auch Frieden.
    Eine Art von Frieden.

August

    Datum: 14. August
Uhrzeit: 15.00
Ort: grünes Zimmer, Praxis
Patientin: Sara Matteus
     
    »Na, wie war der Sommer?«
    »Ist es okay, wenn ich rauche?«
    »Klar.«
    Sara wühlt in der camouflagefarbenen Stofftasche und zieht ein Päckchen rote Prince und ein Feuerzeug heraus. Mit rauen, zitternden Fingern zündet sie sich eine Zigarette an und zieht zweimal tief, bevor sie wieder ihren Blick auf mich richtet. Sie mustert mich eine Weile schweigend und bläst eine Rauchwolke zwischen uns – ein krebserregender Nebelvorhang -, die einen Moment lang ihre schwarz umrandeten Augen verbirgt. Ihre Geste hat etwas Demonstratives an sich, etwas gleichzeitig Spielerisches und Provokantes, weshalb ich beschließe, den Augenkontakt aufrecht zu halten.
    »Also was?«, fragt Sara affektiert.
    »Der Sommer?«
    »Ach ja. Der Sommer. War gut. Ich habe in dieser Kneipe in Gamla Stan gearbeitet, wissen Sie, am Järntorget.«
    »Ich weiß. Und wie ist es Ihnen gegangen, was meinen Sie?«
    »Gut, wirklich gut. Absolut. No problems.«
    Sara verstummt und schaut mich mit unergründlichem Blick an. Sie ist fünfundzwanzig, sieht aber keinen Tag älter als
siebzehn aus. Blondiertes Haar, mit verschiedenen Abtönungen von Weiß bis Buttergelb, ringelt sich über die schmalen Schultern und bildet dabei verworrene, verfilzte Zöpfe. Haarwürste. Sie dreht sie sich um die Finger, wenn sie sich langweilt. Die Würste schiebt sie sich dann rein in den Mund und wieder raus, wobei sie mal drauf beißt, mal drauf saugt. Wenn sie nicht auf ihrem Haar kaut, dann raucht sie. Sie scheint immer eine Zigarette in den rauen Fingern bereitzuhalten.
    »Keine Angstattacken?«
    »Ne. Doch, vielleicht ein bisschen … ab und zu. Ich meine zur Mittsommernacht und solchem Scheiß. Kriegen dann nicht alle Angst? Wer hat keine Angst an Mittsommer?«
    Schweigend schaut sie mich eine Weile prüfend an. Ein Lächeln spielt um ihre Mundwinkel.
    »Verflucht, da können Sie einen drauf lassen, dass ich da Angst hatte.«
    »Und was haben Sie daraufhin gemacht?«
    »Nichts«, sagt Sara und sieht mich durch den Rauch mit leerem Blick an. Sie scheint ungewöhnlich gleichgültig zu sein, was ihre Gefühle der Angst und des Ausgegrenztseins angeht, die von der Mittsommernachtsfeier ausgelöst wurden, wie sie behauptet.
    »Sie haben sich nicht geritzt?«
    »Nee … doch, ja. Aber nur ein bisschen, an den Armen. Nur an den Armen. Ich musste es tun, sonst hätte ich diesen ganzen Mittsommernachtskram nicht ertragen. Aber nicht viel. Ich hab Ihnen ja versprochen, mich nicht mehr zu ritzen. Und ich halte immer, was ich verspreche, wirklich. Ganz besonders, wenn ich es Ihnen versprochen habe.«
    Ich kann sehen, dass Sara ihre Unterarme in einer wahrscheinlich unbewussten Geste zu verbergen versucht.
    »Wie oft haben Sie sich geritzt?«

    »Wieso, meinen Sie, wie viele Ritze?«
    »Nein, wie oft haben Sie es gemacht? «
    »Oh, ein paar Mal. Zwei, vielleicht drei Mal den Sommer über. Ich weiß nicht mehr so genau …«
    Saras Stimme erstirbt, und sie drückt ihre Zigarette in der blauen Blumenvase aus, die auf dem Couchtisch steht als ein Versuch, das Zimmer etwas einladender zu gestalten. Ich bin wahrscheinlich die einzige Therapeutin in ganz Schweden, die es zulässt, dass ein Patient raucht, aber Sara wird sonst so unruhig, dass ein Gespräch mit ihr kaum möglich ist.
    »Sara, das ist wichtig. Ich möchte, dass Sie zu der Situation zurückgehen, in der Sie sich geritzt haben. Versuchen Sie sich daran zu erinnern, was vorher passiert ist. Was die Gefühle ausgelöst hat, die Sie dazu gebracht haben, sich zu ritzen.«
    »Äh …«
    »Fangen Sie mit dem ersten Mal an. Nehmen Sie sich Zeit. Wann war es? Fangen Sie damit an!«
    »Es muss am Mitsommerabend gewesen sein. Also bei der Mittsommerfeier. Hab ich
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