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Die Teufelssonate

Die Teufelssonate

Titel: Die Teufelssonate
Autoren: Alex van Galen
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seinen Absatz auf Notovichs rechte Hand und drückte ihn in das Fleisch. Notovich wurde schwarz vor Augen. Der Schmerz war unerträglich.
    »Du hast die Wahl: dein Leben oder deine kostbaren Pianistenhändchen? Nun?«
    Mit seinem vollen Gewicht trat er auf Notovichs Finger. Der schrie auf und wollte reflexartig loslassen, um seine Hände zu schützen, doch sie waren zwischen der Stahlleiste und Valdins Sohlen eingeklemmt.
    Durch den Schleier aus Schmerz glaubte er zu sehen, daß sich hinter dem schwarzen Mantel von Valdin jemand bewegte, aber seine Aufmerksamkeit wurde zu sehr von der brennenden Schmerzquelle in Anspruch genommen, um es bewußt wahrnehmen zu können.
    »Ich zähle bis drei, und dann drücke ich durch. Das wird schwierig, mit zwei gebrochenen Händchen zu spielen. Eins … zwei …«
    Plötzlich erblickte er zwei nackte Füße hinter Valdins Schuhen. Notovich versuchte hochzuschauen, aber er sah nur ihr Kleid und etwas, das einem eisernen Schürhaken glich. Der Schürhaken schwang empor. Notovich hörte eine Art lauten Seufzer und kurz darauf den schauerlichen Schrei, mit dem Valdin in der dunklen Tiefe verschwand.
    Er spürte, wie die Kraft aus seinen Händen wich. Vivien bückte sich, um ihn hochzuziehen. Er sah ihre blutunterlaufenen Augen. Er wollte ihr erklären, daß er Senna nie hätte töten können, daß er immer nur aus Liebe gehandelt habe, aber seine Finger wurden immer kraftloser und rutschiger. Langsam glitten sie ab.
    »Mischa, halt dich fest!«
    Doch er hatte keine Kraft mehr … Seine Finger entschlüpften ihrem Griff, und er fiel und fiel … in das schwarze Loch, in die Finsternis, die ihn schon so lange lockte …
 
    Die Bilder kamen hoch, klarer denn je.
 
    Diesen Raum hat sie ihm nie gezeigt. Sie wähnt sich in Sicherheit; das sieht er daran, wie sie sich bewegt. Sie erschrickt, als sie hört, daß sie nicht allein ist.
    »Mischa! Was machst du hier? Wie hast du mich gefunden?«
    »Freust du dich, mich zu sehen?«
    »Du bist mir gefolgt.«
    »Hier wohnst du also, Senna? In einem Kaufhaus? Schöner Raum. Wer hat das gemalt?«
    »Niemand.«
    »Ich wußte nicht, daß du so viel Talent hast.«
    »Ich habe nicht viel Zeit, ich muß gleich wieder weg.«
    »Ist er nicht bei dir?«
    »Das Thema haben wir doch schon so oft gehabt. Laß mich jetzt in Ruhe.«
    »Komm zu mir zurück.«
    »Wenn du mir weiter nachstellst, rufe ich die Polizei. Hast du verstanden? Ich halte das nicht mehr aus, Mischa. Du machst mir angst.«
    »Ich kann dich nicht in Ruhe lassen. Ich werde immer dein sein und du immer mein. Unsere Seelen gehören zusammen, ob du willst oder nicht. Wir sind zueinander verdammt. Ich mache dich unsterblich in meiner Musik.«
 
    Sie fleht ihn an zu gehen, sie schreit und schmeißt mit Sachen um sich, aber er bleibt beherrscht, wie er es sich vorgenommen hat. Sie müßten sich aussprechen, sagt er. Was sie miteinander hätten, dürfe man nicht einfach so wegwerfen; das sei sie nicht nur ihm schuldig, sondern auch der Musik.  
    Er hält sie fest und versucht, sie zu küssen, doch sie wehrt sich. Er erschrickt über ihre Heftigkeit. Sie hat Tränen in den Augen. Er fällt auf die Knie, genau wie damals im Bois de Boulogne, aber sie weigert sich zuzuhören. Er muß ihr klarmachen, daß er durchaus verstehe, was sie wolle: ihn unglücklich machen, gerade weil sie ihn liebe. Sie tue es für seine Musik, ihre Musik. Aber sie erkenne nicht, daß sie nun zu weit gehe, daß er sich gelähmt fühle an den Tasten. Sie müsse ihm noch ein bißchen Zeit geben, sich an die Vorstellung zu gewöhnen, danach könne er die Einsamkeit und den Kummer vielleicht verkraften. Dann werde er sich wirklich bemühen, das schwere Opfer zu bringen, das sie von ihm verlange. Alles für die Musik, ihre Musik.
    Aber sie hört nicht zu.
    Sie sinkt auf die Knie und weint nur.
    Und auf einmal blitzt die Schere in ihrer Hand. Was hat sie vor? Begreift sie denn nicht, daß ihm physische Verletzungen gleichgültig sind? Daß er über Schmerzen lacht? Glaubt sie wirklich, daß sein Geist sich durch so etwas Beengendes wie einen Körper beschränken läßt? Das ist fast eine Beleidigung für seine Genialität.
    Dann sieht er Blut auf ihrem Unterarm. Sie hat sich einen tiefen Schnitt zugefügt. Und noch einen, an derselben Stelle. Und noch einen. Und sie blickt ihn unverwandt wütend an, während sie die Klinge wieder und wieder in ihren Arm setzt.
    Laß. Mich. In. Ruhe.
    Laß. Mich. In. Ruhe.
    Laß. Mich. In.
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