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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel
Autoren: Richard Dübell
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Kerl!«
    »Ich weiß ja nicht viel über das Leben eines Dorfpriesters, besonders nicht dort oben, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Aber ich kann mir vorstellen, dass man da gern zum Wein greift, wenn er einem angeboten wird.«
    »Sie haben ihm eine ganze Menge Wein angeboten, Vater.«
    »Ja, der Bursche war nicht gerade schüchtern.«
    »Über das Geld für den Wein zu streiten haben Sie den Wirtsleuten auch …«
    »… aber das alte Weinfass war jeden Schluck wert, den ich in es hineingeschüttet habe.«
    »Er hat Ihnen verraten, wo das Kloster ist?«
    Das Gesicht des Vaters verzog sich zu einem Grinsen.
    »Und wo ist es, Herr Vater?«
    Andrejs Vater deutete in die Finsternis der bitterkalten Novembernacht außerhalb der Fensteröffnungen. Seine Augen waren jetzt Spiegel der kleinen Feuer, die in den Transchalen brannten. Er grinste immer breiter. Das Schattenspiel verzerrte sein Gesicht zu dem eines Mannes, den Andrej nicht kannte. »Morgen wirst du dich wie verabredet bei seinem Tor verstecken und darauf warten, dass ich dir die Teufelsbibel zuwerfe.«
    3
    Prior Martin wäre der Erste gewesen, der den Klosterhof erreichte, wenn er nicht bei dem toten Mönch vor dem Ausgang angehalten hätte. Während er sich nach dem schwarzen Kuttenbündel auf dem Steinboden bückte, rannten die beiden Novizen, die er aus Braunau mitgebracht hatte, an ihm vorbei und in den Hof hinaus. Martin fasste die zusammengekrümmte Gestalt bei der Schulter und drehte sie herum. Er zuckte zurück. Wo ein Gesicht gewesen war, klaffte eine Wunde. Der halbe Schädel war auseinandergehauen. Der Prior unterdrückte ein Ächzen und fühlte, wie sich sein Magen hob. Der Kopf des Leichnams rollte herum und kam halb auf seinem Fuß zu liegen, bevor er ihn zurückziehen konnte. Für Momente stand er wie festgenagelt. Der mörderische Lärm von draußen war fast verstummt; es hatte eine Weile gedauert, bis sie ihn über das Prasseln des Unwetters und ihre hitzig geführte Diskussion hinweg im Kapitelsaal gehört hatten. Weitere Augenblicke waren verstrichen, in denen sich alle fassungslos angestarrt hatten, bis Martin sich herumgeworfen hatte und aus dem Saal geeilt war, gefolgt von den Novizen. Stöhnend zog Martin seinen Fuß unter dem Kopf des Toten hervor, erschauerte, als dieser weiter herumrollte und die Bewegung einen Schwall Blut, Knochensplitter und Zähne auf den Boden schwemmte. Der Prior drückte sich an der Wand entlang um den Toten herum und bemerkte kaum, dass er die Lippen wie im Gebet bewegte. Als er an dem Leichnam vorbei war, raffte er die Kutte und rannte weiter.
    Draußen prallte er auf eine Mauer aus schwarzen Mönchskutten. Hände hielten ihn fest; er kämpfte sich durch die Männer hindurch. Es waren fünf; der Tote im Gang war der sechste, und der siebte der Kustoden …
    Der Anblick des großen, dicken Novizen, der von allen Buh genannt wurde und der jetzt auf den Knien lag und sicherbrach, während der magere Novize namens Pavel neben ihm stand, das Gesicht eine Maske des Horrors, verzerrte sich vor Martins Augen, ebenso wie das Schlachtfeld aus zerschlagenen, zerstückelten Körpern, als ihm klar wurde, dass der siebte Kustode derjenige war, der das Blutbad angerichtet hatte. Ihm war zumute, als fiele er in einen Abgrund. Ein Graupelschauer peitschte in sein Gesicht. Er wischte sich das Wasser aus den Augen. Der siebte Kustode war fast am anderen Ende des Klosterhofs. Er riss seine Axt aus einem Körper zu seinen Füßen, hob sie über seinen Kopf und rannte brüllend in Richtung Klosterpforte. Martin war sicher, dass er versuchte, ins Freie zu fliehen – und wenn er das Freie erreicht hätte und das Dorf jenseits der Felder, dann würde das Massaker erst beginnen. Der Prior fuhr herum.
    Die fünf Kustoden standen eng beisammen. Wo die Kapuzen von den Köpfen geglitten waren, boten die Gesichter über den schwarzen Kutten Spiegelbilder des Schocks, der auch den jungen Pavel bannte. Derjenige der Kustoden, der für die Armbrust verantwortlich war, hatte seine Waffe gehoben und zielte; die Spitze folgte dem mit seiner Axt dahinstürmenden Verrückten. Martin verstand innerhalb eines Herzschlags, dass die Spitze auf den Wahnsinnigen gerichtet war, seit die Kustoden bei seiner Verfolgung im Hof angekommen waren, und dass der Gedanke an die eigene Unberührbarkeit, der den Kustoden eingehämmert worden war, verhindert hatte, dass die Armbrust ausgelöst wurde, was dem Schlachten ein Ende gemacht hätte. Martin
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