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Die Teufelsbibel

Titel: Die Teufelsbibel
Autoren: Richard Dübell
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hebt es sich auf. Das ist ein wissenschaftliches Faktum!«
    »Gegensätze heben sich auf«, sagte Andrejs Mutter. »Wasser löscht Feuer. Eine volle Schüssel füllt einen leeren Magen. Recht besiegt Unrecht.«
    »Du verstehst nichts von den Geheimnissen der Wissenschaft«, sagte Andrejs Vater und begann auszurechnen, ob die Sterne seinem Vorhaben günstig gestimmt wären. Andrej, der ihm dabei zusah, hörte ihn leise vor sich hinmurmeln: »Wenn der Codex hier wäre – das wäre was – wenn ich ihn morgen finde, – alles Wissen der Welt, alle Weisheit des Teufels, …«  
    »Herr Vater?«
    »… die Geheimnisse, die Moses vom Berg Sinai mitbrachte und nicht verriet –«
    »Herr Vater?«
    »Hm?«
    »Was ist ein Codex?«
    Andrejs Vater war kein schlechter Mensch. Wenn er einer gewesen wäre, hätte er seine Frau und sein Kind schon vor Jahren ihrem Schicksal überlassen und wäre seinem Traum alleine nachgejagt. Er mochte ein Dieb sein, wenn man ihm nicht freiwillig gab, was er zu benötigen meinte, und er mochte ein Betrüger sein, wenn die Leute leichtgläubig genug waren, sich von ihm betrügen zu lassen – doch was er tat, tat er um eines hehren Zieles willen: der Wissenschaft.
    Er schaute auf, musterte seinen Sohn und war wie immer nicht imstande, sich seinen Stolz auf ihn nicht anmerken zu lassen.
    »Ein Codex … das sind viele Blätter, die man zusammengebunden hat, so dass man sie umschlagen und hintereinander lesen kann. Etwas, das man mitnehmen kann, ohne dass man eine ganze Truhe voller Schriftrollen mit sich führt.«
    »Warum ist dieser Codex so wichtig für uns?«
    Der alte Langenfels grinste plötzlich. Er rubbelte seinem Sohn durch die Haare. Dann lehnte er sich zurück und holte Atem.
    »Es ist die Geschichte eines Mönchs, der den Glauben verlor. Und der eine schreckliche Sünde auf sich lud.«
    Andrej starrte ihn an.
    »Das war vor vierhundert Jahren. Vierhundert Jahre sind eine lange Zeit, mein Sohn, und wer damals lebte, von dem ist heute nur noch Staub übrig – Staub, eine Geschichte und ein Buch. Das mächtigste Buch der Welt.« Der alte Langenfels beugte sich nach vorn, damit seine Frau ihn nicht hören konnte. »Was verleiht den Menschen die größte Macht?«
    Andrej wusste, was seine Mutter geantwortet hätte, wenn sie dem Gespräch gefolgt wäre: der Glaube. Er wusste auch, was sein Vater hören wollte. »Wissen«, flüsterte er.
    Andrejs Vater nickte. »Der Mönch war bereit, Buße zu tun. Eine Buße, die ebenso schrecklich war wie seine Schuld.«
    »Was hatte er getan?«, flüsterte Andrej mit weit aufgerissenen Augen.
    »Die Gemeinschaft, in der dieser Mönch diente, lebte in einem Kloster, das weit und breit berühmt war für seine Bibliothek. Viele der Werke dort waren so alt, dass niemand wusste, woher sie kamen oder wer sie geschrieben hatte; und nur die wenigsten hatten auch nur eine vage Ahnung von ihrem Inhalt. Die Traktate der ersten Päpste, die Briefe der Apostel, die römischen und griechischen Philosophen, die ägyptischen Priester, die Schriftrollen der Israeliten, die in der Bundeslade verwahrt waren. Von all dem gab es Abschriften in dieser Bibliothek. Und der Mönch, von dem wir sprechen, war der einzige Mensch, der sie alle kannte.«
    »Er hatte sie alle gelesen?«
    »Er konnte sie alle auswendig, so intensiv hatte er sie studiert! Aber weißt du, mein Sohn, das Wissen verträgt sich nicht mit jedem Geist. Man muss ein Wissenschaftler sein, um nicht vor den Geheimnissen zu erschrecken, die hinter den Dingen liegen, und manches Wissen sollte nur solchen Leuten zuteilwerden, die damit auch umgehen können. Der Mönch jedoch war ein einfacher Mann. Als er alles studiert hatte, was sich in der Bibliothek befand, machte er sich auf die Suche nach neuem Wissen. Es heißt, dass er schließlich ein Buch fand,versteckt in einer Höhle, eingemauert in einer Nische, verborgen vor der Welt … und es wäre besser für ihn gewesen, wenn er es nie gefunden hätte. Besser für ihn – aber sein Verderben und das der anderen machte der Welt das größte Geschenk.«  
    »Sein Verderben?«
    »Um dieses einen Buches willen ermordete er zehn seiner Mitbrüder.«
    Das rauchige Licht in der Schankstube schien sich zu verdunkeln, die Schatten traten plötzlich deutlicher hervor. Andrejs Blicke saugten sich an einer Gestalt fest, die eine Kapuze über den Kopf gezogen hatte wie ein Mönch und allein für sich an einem Tisch saß. Die Schatten schienen sich um sie herum
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