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Die Terranauten TB 15 - Im 176. Jahr

Die Terranauten TB 15 - Im 176. Jahr

Titel: Die Terranauten TB 15 - Im 176. Jahr
Autoren: Andreas Weiler
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Glühen.
    »Wir sind am Ziel«, sagte der Prete und stieg ab. Die anderen Mulcalin folgten seinem Beispiel.
    Stille.
    Langsam setzte sich der Preten-Obmann in Bewegung. Die Kalte Flamme in seinen Händen knisterte und warf sonderbare Schatten auf sein schmales Gesicht. Die halbtransparenten Wände der hynan- Stadt sangen ein Lied, das Tairit nicht verstand. Er fühlte Wärme an seiner Seite, und als er sich umwandte, erkannte der Xala. Ihr Gesicht war verklärt, die Züge drückten Hoffnung aus und noch etwas anderes. Sie berührte seine Hand, und Tairit erschauerte unwillkürlich.
    Der Prete kniete vor einem Glimmstein nieder. Eine Aura aus grünlichem Licht ging von ihm aus, und die in den Stein gemeißelten Hieroglyphen schienen von innen heraus zu leuchten.
    »Komm«, flüsterte der Obmann. Tairit und Xala traten vor. Sie hielten sich an den Händen und knieten neben dem Preten nieder. Die Kalte Flamme erlosch. Nur der Phosphoreszenzglanz des Glimmsteins blieb.
    Schweigen.
    Tairit fühlte sich eigenartig berührt. Er versuchte, diese Empfindung zu analysieren, so, wie er es von seiner Unterweiserin gelernt hatte. Doch bevor er zu einem Ergebnis gekommen war, sagte der Prete:
    »Seht diesen Stein der Wahrheit. Betrachtet die Zeichen, die uns die hynan hinterließen. Seht sie euch genau an. Fühlt die in ihnen verborgene Botschaft. Seid offen.«
    Tairit betrachtete den Glimmstein und versuchte, an nichts anderes zu denken und die in ihm emporsteigende Nervosität zu ignorieren. Die Hieroglyphen wuchsen vor ihm an, füllten dann schließlich sein ganzes Gesichtsfeld aus.
    Die Hände des Preten vollführten seltsame Bewegungen. Funken glühten und trieben wie winzige Irrlichter davon. Am Himmel weit über ihnen schwebte noch immer die Wandernde Dämmerungszone. Von dem Glimmstein aber ging nun ein Flammenspeer aus, der weit hinauf reichte und sich wie Wetterleuchten über die Stadt der Nichtmenschen legte.
    »Zwei junge Mulcalin sind gekommen«, sang der Prete. »Sie sind gekommen, um den Status eines Wahren Namens anzunehmen und euch zu ehren, die ihr tot seid und doch weiterlebt: in den Felsen der Welt, in den Winden, die flüsternd und wispernd über den Granit streichen, im Glanz der Sterne und Sonnen, im öden Staub des Karglandes, in unserem Blut. Sie sind gekommen, um Erkenntnis zu erlangen und fortan als vollwertige Mulcalin in unseren Gemeinschaften zu leben und neues Leben zu zeugen. Erweist ihnen eure Zuneigung. Gebt ihnen die Steine der Wahrheit und Erkenntnis. Gebt ihnen ihre Namen.«
    Tairit wurde müde und hatte erhebliche Schwierigkeiten, die Augen offenzuhalten. Ein Blick zur Seite sagte ihm, daß es Xala nicht anderes erging. Ihr Oberkörper neigte sich einmal nach rechts, dann nach links. Ihre Lippen formulierten unhörbare Laute.
    Es knackte.
    Und von dem Glimmstein lösten sich zwei Splitter. Der Preten-Obmann nahm sie auf und holte aus einer Tasche seines nachtschwarzen Umhangs einen ledernen Beutel hervor. Er enthielt zwei Ketten und den Extrakt von Glattflüglern des Hohen Landes, der, kam er mit Luft in Berührung, innerhalb von wenigen Sekunden härtete und zwei Dinge untrennbar miteinander verband. Der Obmann strich einige Tropfen dieses Extrakts auf Kette und Splitter. Dann erhob er sich.
    Er legte Xala die erste Kette um den Hals und murmelte dabei ein Wort, das Tairit nicht verstand. Es war fortan ihr Wahrer Name, den nur sie selbst kannte. Als die Hände des Preten daraufhin ihn selbst berührten, erzitterte er unwillkürlich, und der Obmann runzelte die Stirn.
    »Du bist voller Unruhe, Tairit«, tadelte er sanft. Er sprach so leise, daß nur Tairit ihn verstehen konnte. Xala hatte den Kopf geneigt. Ihre Augen waren geschlossen. »Besinn dich mehr auf dein Innerstes, Tairit. Es ist das Vorrecht der Jugend, von Unruhe erfüllt zu sein, von sich widersprechenden Empfindungen. Aber einen Namensstein zu tragen, ist nicht nur Ehre, sondern erfordert auch Respekt.«
    »Du hast recht, Prete«, gab Tairit zurück. Der Obmann streifte ihm die Kette über und flüsterte ihm einen Namen zu. »Das soll fortan dein Wahrer Name sein. Hüte ihn gut. Und hüte ebenso deinen Stein, der diesen Namen symbolisiert.«
    Er warf die Arme empor, und die anderen Mulcalin der Wallfahrt-Karawane jubelten.
    »Es sind die tri- und ca -Symbole!« rief der Prete, und Stille kehrte wieder ein. Alle erwarteten nun die Interpretation. Nur ein starker Prete war dazu in der Lage. Alle anderen Mulcalin konnten die
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