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Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern

Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern

Titel: Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern
Autoren: Andreas Weiler
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hatten.
     
    Als die Gleise einen weiten Bogen beschrieben und dann nach Süden führten, wandten sich David und Myriam vom Verlauf der Schienen ab und setzten ihren Marsch nach Osten fort. Die Nacht dauerte, an, und am vor ihnen liegenden Horizont zeigte sich nicht der geringste Schimmer eines neuen Tages. Der Schnee zu ihren Füßen schien von innen heraus zu erglühen und sie mit knirschender Stimme zu verhöhnen.
    Immer wieder betrachtete Myriam verstohlen ihre Hände, und jedesmal gewann sie den Eindruck, als seien die Geschwüre noch größer geworden, als müßten sie bald aufplatzen und wie bei der jungen Frau eine eitrige und penetrant stinkende Flüssigkeit absondern.
    Irgendwann gelangten sie in ein Tal, und an die steil aufragenden Hänge schmiegten sich einige windschiefe Hütten. Kleine Abraumhalden in der Nähe hatten sich mit Schnee und Eis überzogen, und als David und Myriam näher herankamen, mußten sie auf die Zugänge halb verborgener Schächte achten, die die Bewohner dieses Dorfes nicht abgesichert hatten und die in dunkle Tiefen führten. Einmal hob David einen Stein und ließ ihn in einen der Schächte hineinfallen. Es dauerte fast eine halbe Minute, bis sie ein leises Klacken vernahmen.
    Die Siedlung war längst verlassen.
    Sicher waren die Männer und Frauen, die hier nach wertvollen Mineralien und Metallen geschürft hatten, vor dem heranrückenden Winter geflohen. Sie fanden in einer der Hütten Obdach, verriegelten die Tür hinter sich und entzündeten in dem aschigen Kamin ein wärmendes Feuer.
    Sie fanden einige wenige Essensreste und schmolzen Schnee, um ihren Durst zu stillen. Anschließend breitete sich die Müdigkeit schlagartig in ihren Körpern aus, und sie legten sich auf die schmutzige Matratze in einer Ecke der Hütte und lauschten dem Knistern des Feuers und dem fernen Heulen der Wölfe. Viele Minuten lang sprach niemand von ihnen ein Wort. Dann meinte Myriam leise:
    »Wie weit mag es noch sein?«
    David zuckte mit den Schultern. Sein Blick klebte an der Decke, und es war, als fessele dort etwas seine Aufmerksamkeit. »Ich weiß es nicht. Vielleicht …«
    »Vielleicht zu weit?« Die Wärme des Kaminfeuers konnte die Kälte in ihr nicht verdrängen. Sie stach mit tausend Nadeln in ihr Herz, und sie machte das Atmen zur Qual. War das die Sorge um David – oder die ersten Auswirkungen der Infektion?
    Sie schmiegte sich an David, und er schloß die Arme um sie. Sie liebten sich.
    Das erste Aufeinandertreffen ihrer Körper war ungestüm und leidenschaftlich. Er arbeitete in ihr wie ein Ertrinkender, über dessen Lippen viele Tage lang kein Tropfen Wasser mehr geflossen war. Aber er mied die Berührung ihrer Hände, jener pustelbedeckten Hände, von denen ein scharfer Geruch auszugehen begann.
    Das zweite Zusammenfließen ihrer Glieder war weitaus zärtlicher. Myriam nahm ihn erneut in sich auf, und nach einer Weile rollte er sich heraus, und sie ritt auf ihm, langsam, ganz behutsam, so als hätte sie Angst, ihn zu verletzen. Ihre Blicke trafen sich, und die Pupillen sprachen Worte, die keine Zungen zu formulieren vermochten. Nach und nach löste sich die Kälte in ihr auf, und sie genoß die Wärme, die daraufhin ihr Herz einhüllte. Sie schloß die Augen und versuchte, diese Minuten festzuhalten, sie zu einer Ewigkeit auszudehnen und nicht mehr freizugeben. Aber ganz tief in ihr, in einem entfernten Winkel ihres Bewußtseins, flüsterte eine Stimme: Es hat keinen Sinn, Myriam. Er wird gehen. Für immer gehen. Und anschließend bist du allein und hast nur die Erinnerung. Mehr wird dir nicht bleiben. Nur die Erinnerung, die du mit ins Grab nimmst.
    Sie hatte Angst. Sie weigerte sich, das zuzugeben, aber sie fürchtete sich. Vor den Konsequenzen, die ihr Verhalten an Bord des Ringes nach sich ziehen mochten. Vor der Krankheit, die sich nun in ihrem Körper ausbreitete. Vor dem Liktor.
    Vor dem Verlust Davids.
    Lange Zeit blieben sie eng umschlungen liegen und lauschten ihren Atemzügen.
    »In der Biostation kann dir bestimmt geholfen werden«, sagte David. »Ganz bestimmt, Myriam.«
    »Ja.«
    Sie wollte sich an diesen Worten festklammem, aber der Zweifel war wie eine Säge, die das feste Holz ihrer Zuversicht erbarmungslos durchteilte.
    Schließlich schlief sie ein. In ihren Träumen sah sie immer wieder das Bild der jungen Frau im Zug vor sich, ihr entstelltes Gesicht, das Gas, das durch den Korridor strich, die in Schutzanzüge gekleideten Gestalten, das sowohl über Leichen
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