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Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern

Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern

Titel: Die Terranauten TB 12 - Der weisse Stern
Autoren: Andreas Weiler
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zitterten wie David und Myriam in der Kälte.
    Stundenlang stapften sie neben den Geleisen durch den Schnee. Die dickliche Frau sah sich immer wieder um. Ganz offensichtlich hatte sie große Angst vor den Winterkindern. Aber vielleicht waren auch sie von dem plötzlichen Kälteeinbruch überrascht worden, denn wie David und Myriam von ihren Begleitern erfuhren, kam es höchst selten vor, daß der lange Winter so rasch bis in diese Region vordrang.
    Irgendwann, als die Erschöpfung zu groß wurde, wandten sie sich von den Geleisen ab, ließen sich am Rande eines Waldes nieder und entzündeten ein Feuer, das ihnen ein wenig Wärme und Licht schenkte. Sie nahmen einige Meter von den an den Ästen und Zweigen leckenden Flammen entfernt Platz. In der Ferne heulten einige Wölfe. Die dickliche Frau erschauerte und sprach fortan nicht mehr von den Winterkindern.
    Der ältere Mann verzog das Gesicht. »Wenn ich in eine Stadt am Iunu gelange, werde ich dafür sorgen, daß die Zugbediensteten zur Rechenschaft gezogen werden«, erklärte er wütend. »Sie haben ein Massaker veranstaltet.« Es schien ihm erst langsam bewußt zu werden, daß sie nur um Haaresbreite dem Tode entronnen waren. »Ich habe Einfluß«, wiederholte er. »Ich werde dafür sorgen, daß sie in die finstersten Verliese geworfen werden, die es im Süden gibt.«
    Er fuhr noch eine Weile damit fort, sich besonders gnadenlose und grausame Strafen für die Uniformierten des Zuges auszumalen, aber Myriam bezweifelte, ob er jemals Gelegenheit haben würde, seine Phantasien auch in die Tat umzusetzen. Wahrscheinlich hatten die Bediensteten auf höchsten Befehl hin gehandelt, und der Advokat hatte nicht die Macht eines Exekutors.
    David schwieg die ganze Zeit über und starrte in die Flammen. Erst als ihre drei Begleiter eingeschlafen waren, seufzte er leise und wandte sich Myriam zu.
    »Dem Liktor ist das Freiwerden psionischer Energie bestimmt nicht entgangen«, sagte er leise. »Eine bessere Orientierungshilfe hätte er sich gar nicht wünschen können.«
    »Wir hatten keine andere Wahl, David.«
    Er nickte. »Ich weiß.« Und nach einer Weile: »Myriam?«
    »Ja?«
    »Ich schaffe es nicht noch einmal. Der Liktor ist viel zu stark, und einen Großteil meiner Kraft muß ich darauf verwenden, gegen das fasche Spektrum in mir anzukämpfen. Der Sternenfänger nutzt jede Schwäche aus. Ich fürchte mich sogar davor, die Augen zu schließen und zu schlafen.«
    »Ich verstehe.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, das kannst du nicht verstehen, Myriam. Chagar ist … wie ein Parasit in mir. Meine Kraft ist auch die seine. Er nagt daran wie eine Maus am Käse. Ich verliere dauernd kleine Bruchstücke meines Ichs. Und irgendwann wird ein Ungleichgewicht zugunsten des Falschen entstehen. Es dauert nicht mehr lange. Und wenn dieser Zeitpunkt kommt, habe ich verloren, Myriam. Dann ist es aus. Endgültig aus. Dann nimmt die Entropiekatastrophe ihren Lauf.«
    Er legte kurz den Kopf auf die Seite. »Ich fühle ihn. Ich brauche gar nicht meine psionischen Sinne zu öffnen, um ihn zu spüren. Er kommt näher. Immer näher. Er weiß jetzt, wo wir uns befinden. Er hat unsere Spur wiedergefunden, Myriam. Und er wird sie nicht noch einmal verlieren.«
    Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander, viel zu beunruhigt und zu besorgt, als daß sie hätten Schlaf finden können. Über ihnen zogen die Wolken über den Himmel – die Leiber stummer Riesen, die sich am Licht der Sterne labten. Erste kleine Schneeflocken fielen. Das Feuer vor ihnen hatte sich verausgabt. Einige letzte Flammen züngelten in einem nutzlosen Kampf ums Überleben empor und erstarben dann in der Asche der Äste und Zweige.
    Myriam seufzte und machte Anstalten, sich wie ihre drei Begleiter hinzulegen. Dabei fiel ihr Blick auf ihre Hände. Sie erstarrte und riß die Augen weit auf.
    »David, sieh nur …!«
    Auf ihren Handrücken hatten sich winzige Pusteln gebildet, die ersten Anzeichen der Infektion, die sie an der jungen Frau im Zug im fortgeschrittenen Stadium erlebt hatten. Die dickliche Frau gab einige undefinierbare Laute von sich, erwachte aus ihrem Halbschlaf und richtete sich schnaufend auf. Als sie die Hände Myriams sah, weiteten sich ihre Augen.
    »Sie hat sich angesteckt.« Leise erst, dann lauter. »Bei allen Heiligen Schwarzkinds, sie hat sich angesteckt!«
    Sie erhob sich, kreischte und ergriff in Panik die Flucht, gefolgt von den beiden Männern, die wie sie den Sprung aus dem Zugfenster überlebt
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