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Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur

Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur

Titel: Die Terranauten TB 08 - Die graue Spur
Autoren: Robert Quint
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»Da ist jemand! Zwischen den Pflanzen!«
    Ruckartig setzte ich mich auf.
    Quarran war vier oder fünf Meter von mir entfernt, und nur sein Oberkörper und der Kopf sahen aus der grünblauen Vegetationsinsel hervor. Gyla und Sharen waren am anderen Ende der fliegenden Scheibe aufgekommen, Harsan war eine Armeslänge hinter mir.
    Quarran fuchtelte mit den Armen.
    »Da ist jemand!« wiederholte er heiser.
    Kriechend schob ich mich zu dem Treiber heran.
    Er hatte recht. Da war jemand. Ein Extraterrestrier. Er rührte sich nicht. Er schien zu schlafen. Oder er war tot.
     
    Der Extraterrestrier war eine Semi-Diirn. Die Puppe, wenn man die ausgewachsenen Diirn der Post-Generation als Schmetterlinge bezeichnen will. Am Planetenboden leben die Prä-Diirn, die Larven im Lebenszyklus der Diirn.
    Die Semi-Diirn war etwa so groß wie ein durchschnittlicher Mensch, und ihre Haut hatte schon ein schmutziges Weiß angenommen.
    Auch wenn wir es zu diesem Zeitpunkt noch nicht wußten, sie befand sich im letzten Drittel des Verpuppungsprozesses. Ihre – einst schwarzbraune, borkige – Haut würde heller und heller und schließlich durchsichtig werden. Der Kopf war ein grauer Ball mit sechs ringförmig verteilten Sinnesorganen und einer als Mund dienenden ovalen Öffnung im unteren Drittel.
    Der Kopf erinnerte mich sofort an das riesenhafte exotische Geschöpf im Weltraum und an die kryptischen Worte Chan de Nouilles über die Diirn.
    Der gesamte Körper war von einer durchsichtigen, zähen Gewebeschicht umhüllt. Er wirkte deformiert. Von den beiden menschenähnlichen Armen war einer mit dem Rumpf verwachsen und der andere schien sich aufzulösen. Auch die Beine wuchsen zusammen und büßten gleichzeitig ihre bisherige Form ein.
    Metamorphose.
    Jetzt weiß ich, welchem Wunder wir auf der fliegenden Insel begegnet sind. Der zweiten Stufe der diirnschen Metamorphose. Das Wesen verpuppte sich, veränderte seine Gestalt, um später als astrales, dem Weltraum angepaßtes Geschöpf den gläsernen Kokon zu verlassen und ins All vorzustoßen. Dorthin, wo es befreit von den Fesseln der Schwerkraft und gefüttert von der Sonnenenergie weiter wachsen und schließlich zu einer vollwertigen Post-Diirn heranreifen konnte.
    Dove hat uns einiges vom Lebenszyklus der Diirn erzählt, und den Rest konnten wir uns aus den Andeutungen Chan de Nouilles und unseren eigenen Beobachtungen selbst zusammenreimen. Aber Dove fanden wir erst später in der aufgegebenen Bodenstation der Grauen, und die Stunden auf der fliegenden Vegetationsinsel verbrachten wir mit fiebrigen Fantasien, mit Spekulationen, die sich in gespenstische Bereiche verirrten.
    Insgesamt fanden wir auf der Insel vier Diirn in unterschiedlichen Stadien der Metamorphose. Da die Treiber von keinem der Wesen Gedankenimpulse registrierten und ihre Haut eiskalt war, hielten wir sie für tot. Eine Vermutung, die durch den scheinbaren Zerfall ihrer Körper noch erhärtet wurde. Quarran meinte, daß es sich bei den Inseln um eine Art Friedhöfe handelte, auf denen die Diirn ihre Toten bestatteten. Die prallen Pflanzenstränge, so hatten wir festgestellt, waren mit Wasserstoff gefüllt und deshalb leichter als die Luft. Wir diskutierten, ob die Inseln natürlichen Ursprungs waren oder ob die Diirn nur eine ungewöhnliche Hülle für ihre »Ballons« verwendeten, kamen aber zu keinem Ergebnis. Burke Harsan bemerkte, daß es sich bei den gläsernen Kokons der Toten möglicherweise um ein Mittel zur Mumifizierung handelte; Parallelen zu den Mumien der ägyptischen Pharaone drängten sich auf. Dem widersprach aber der desolate Zustand der Leichen.
    Im nachhinein erscheinen mir unsere Diskussionen bizarr; eine Folge des psychischen Drucks, des Schocks, der uns noch immer in seinem Bann hielt. Binnen Minuten waren drei unserer Gefährten getötet worden, die SIMON BOLIVAR war vernichtet, Mandorla zu den Grauen übergelaufen, unser Plan verraten, und wir selbst sahen einer ungewissen Zukunft entgegen. Da wir befürchteten, daß die Grauen noch immer Ardas Welt beobachteten, beschlossen wir, eine Weile auf der fliegenden Insel zu bleiben. Die Nähe der – scheinbar toten – Extraterrestrier bedrückte uns, und jeder vermied es, unsere erbärmlich geringen Chancen auf Rettung zur Sprache zu bringen.
    Wir warteten die Nacht ab. Die Doppelsonne wanderte über den Himmel, und gegen Mittag entlud sich ein Gewitter. Tropfen prasselten auf uns nieder, auf die Helme, die flexible Kunststoffhaut der Anzüge, und
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