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Die Templerin

Die Templerin

Titel: Die Templerin
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage war ihre Welt aus den Fugen geraten. Sie hatte gerade erst angefangen zu begreifen, daß es jenseits der Wälder und des Flusses noch eine andere, viel aufregendere und größere Welt gab, und nun sollte sie glauben, daß sie vielleicht schlimmer war als die, die sie bisher kannte? Das konnte und wollte sie nicht.
    Als sie wieder zu Jan hochsah, hatte er sich beruhigt. Der Zorn auf ein Schicksal, gegen das er vollkommen machtlos war, war so schnell wieder verraucht, wie er gekommen war. Er kaute auf seinem Grashalm herum und lächelte sogar - auch wenn sie nun argwöhnte, daß das, was sie bisher für den Ausdruck eines tiefen inneren Friedens in seinen Augen gehalten hatte, in Wahrheit nichts anderes als Resignation darstellte. »Aber selbst wenn du dumm genug wärst, all das auf dich zu nehmen, Robin, so gibt es noch zwei weitere Gründe, die es dir vollkommen unmöglich machen, ein Tempelritter zu werden. Der eine ist deine Herkunft. Nur wer adeligen Geblüts ist, darf ein Tempelritter werden.«
    »Adelig? Bist du das denn?« Robin blinzelte verwirrt. Der einzige Edelmann, den sie kannte, war der Lehnsherr, der alle paar Jahre ins Dorf kam, um sich huldigen zu lassen, und sich mit seinem Gefolge über einen Gutteil der ohnehin knappen Vorräte hermachte, bevor er wieder verschwand und die Dörfler drei Kreuze hinter ihm her machten in der Hoffnung, daß sein nächster Besuch möglichst lange auf sich warten lassen würde. Doch dafür kamen dann seine Steuerschätzer und -eintreiber um so öfter. Nein, der Lehnsherr war kein guter Mensch, und nach allem, was Robin aus den Gesprächen der Erwachsenen aufgeschnappt hatte, waren die meisten anderen Adeligen auch nicht besser. Es fiel ihr schwer zu glauben, daß auch Jan zu dieser Sorte von Menschen gehören sollte. Trotzdem mußte sie sich beherrschen, um nicht ganz instinktiv ein Stück von ihm wegzurücken.
    »Oh ja, das bin ich. Wenn auch nur…« Er lächelte und deutete einen winzigen Zwischenraum zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand an. »… ein ganz Kleiner. Mein vollständiger Name lautet Jan von Tronthoff.«
    »Tronthoff?« Robin runzelte die Stirn und tat so, als müsse sie angestrengt nachdenken. »Davon habe ich noch nie gehört.«
    »Und was besagt das?« Jan hob besänftigend die Hand, obwohl sie gar nicht auf seine Frage reagiert hatte. »Das war gemein. Verzeih. Es besagt wirklich nichts, ob du von Tronthoff gehört hast oder nicht. Niemand hat das, weißt du? Das Baronat meines Vaters liegt hoch oben im Norden, fast schon im Dänischen, und es besteht aus nicht viel mehr als einem zugigen Turm auf einer Felsspitze, den mein Vater sein Schloß nennt, und einem halben Dutzend Bauernhöfe und einer Handvoll Fischer, aus denen er gerade genug herauspressen kann, um das Dutzend Halsabschneider zu bezahlen, das er seine Armee nennt. Ich glaube, die Summe, die er dem Orden stiften mußte, damit sie mich aufnehmen, hat sein gesamtes Vermögen verschlungen.«
    »Aber warum hat er es dann getan?« wunderte sich Robin. Sie wunderte sich auch noch über etwas anderes - nämlich über den Haß, den sie in Jans Stimme vernommen hatte, als er über seinen Vater sprach. »Weil er ein geltungsbedürftiger alter Narr ist«, antwortete Jan, nun scheinbar leidenschaftslos. »Es hat ihm wohl alles bedeutet, seinen einzigen Sohn zu einem Tempelritter gemacht zu haben. Ein von Tronthoff, der nach Jerusalem zieht, um gegen die Heiden zu kämpfen! Pah!« Er spie seinen Grashalm aus, zupfte sich einen neuen und sagte: »Sei froh, daß du nicht adelig bist, Robin. Du wirst vielleicht immer arm bleiben, aber dein Leben ist dafür um vieles einfacher.«
    Robin wußte nicht, was sie sagen sollte. Das Gespräch bereitete Jan sichtlich Unbehagen, vielleicht sogar Schmerz, und das wollte sie nicht. Vielleicht nur, um das Thema zu wechseln, sagte sie: »Du… hast von zwei Gründen gesprochen, warum ich kein Tempelritter werden kann. Was ist der andere?«
    »Nur Männer können Tempelritter werden«, antwortete Jan, »und du bist ein Mädchen.«
    »Woher…« Robin brach ab und biß sich ärgerlich auf die Unterlippe. Jans Worte hatten sie so überrascht, daß sie sich nun praktisch selbst verraten hatte. Trotzdem versuchte sie noch ein letztes Mal, sich herauszureden. »Ich meine: Wie kommst du auf diese verrückte Idee?« Jan seufzte. »Du hältst mich für dumm, wie? Ich könnte dich jetzt auffordern, dein Gewand hochzuheben, um
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