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Die Templerin

Die Templerin

Titel: Die Templerin
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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noch immer, und obwohl sie ganz genau wußte, wie absurd dieser Gedanke war, hatte sie Angst, ihm Schmerzen zuzufügen.

Die Entscheidung wurde ihr abgenommen. Sie hörte schwere Schritte, wandte den Blick und sah Olof heranstürzen. Allerdings hatte Robin im allerersten Moment fast Mühe, ihn überhaupt zu erkennen. Er stürmte mit gesenkten Schultern und vorgestrecktem Schädel heran, schnaubend wie ein wütender Stier. Sein Gesicht war hochrot und zu einer Grimasse verzerrt, die Robin mit blankem Entsetzen erfüllte, denn sie begriff mit unerschütterlicher Gewißheit, daß er auch sie töten würde. Sie wollte schreien, aber sie konnte es nicht. Ihre Kehle war noch immer wie zugeschnürt.
    Olof stürmte heran, riß die Mistgabel aus Jans Schädel und traf Robin dabei - vermutlich nicht einmal mit Absicht - mit dem Stiefel an der Schläfe. Vielleicht rettete ihr das sogar das Leben, denn Robin fiel wie vom Blitz getroffen zur Seite, so daß Olof sie möglicherweise für tot hielt. Sie verlor jedoch nicht einmal das Bewußtsein, war für einen kurzen Moment jedoch vollkommen gelähmt, so daß sie nicht einmal mehr atmen konnte. Olof würdigte sie keines Blickes, sondern packte seine Forke dicht hinter der Gabel, drehte sich schwerfällig herum und begann breitbeinig und schnaubend auf die Kapelle zuzustapfen. Er bewegte sich nicht sehr schnell, aber auf eine Art, die es ihm irgendwie unmöglich zu machen schien, auch nur einen Moment innezuhalten.
    Endlich konnte Robin wieder atmen, und im gleichen Moment erwachte auch ein gräßlicher, hämmernder Schmerz in ihrem Kopf. Mit einem gedämpften, keuchenden Schrei sog sie die Lungen voller Luft, setzte sich auf und wimmerte, als die plötzliche Bewegung den Schmerz zwischen ihren Schläfen zu nie gekannter Schärfe explodieren ließ. Blut lief über ihr Gesicht, und auch ihre Hände waren voller Blut. Sie wußte nicht einmal, ob es ihr eigenes war, aber sie wagte es auch nicht, in seine Richtung zu sehen, aus der furchtbaren Angst heraus, er könnte noch am Leben sein. Statt dessen hob sie - durch schlechte Erfahrung gewarnt, diesmal sehr vorsichtig - den Kopf noch ein Stückchen höher und hielt nach Olof Ausschau.
    Sie hatte Schwierigkeiten zu sehen. Ihr eigenes Blut lief ihr in die Augen, und der Schmerz war so schlimm geworden, daß alles zu verschwimmen schien. Trotzdem sah sie, daß er die Kapelle mittlerweile erreicht hatte, aber Schwierigkeiten zu haben schien, die Tür zu öffnen.
    Sie mußte Helle und den Tempelritter warnen. Olof hatte den Verstand verloren. Er würde jeden töten, den er dort drinnen fand, und wahrscheinlich würde er hinterher zurückkommen und sie auch noch umbringen, wenn er feststellte, daß sie doch noch am Leben war. Vielleicht würde er gar das ganze Dorf auslöschen. Zuzutrauen war es ihm in seiner Raserei.
    Sorgsam darauf bedacht, nicht in Jans zerstörtes Gesicht zu blicken, streckte sie die Hand aus und griff nach Jans Schwert. Sie wußte nicht, warum. Sie konnte mit dieser Waffe rein gar nichts anfangen und war ohne sie vermutlich weit besser dran als mit ihr. Das einzig Sinnvolle, was sie in diesem Moment überhaupt hätte tun können, wäre sich umzudrehen und davonzulaufen, um im Dorf nach Hilfe zu rufen. Aber das hätte den sicheren Tod für Helle und Bruder Abbé bedeutet. So sprang sie zwar auf, stürzte aber nicht davon, sondern packte Jans Schwert und rannte ebenfalls auf die Kapelle zu, im gleichen Moment, in dem es Olof offenbar gelungen war, die Tür einzuschlagen und hindurchzustürmen. Nur einen Augenblick später hörte sie Helle drinnen schrill aufschreien, und fast gleichzeitig hörte sie auch das zuerst wütende, dann erschrockene Schreien eines Mannes. Ihre Stimme funktionierte mittlerweile wieder, aber nun war es zu spät, um einen Warnschrei auszustoßen.
    Statt dessen beschleunigte sie ihre Schritte noch mehr und erreichte nach drei oder vier schweren Herzschlägen den Eingang.
    Das Grauen, das sich ihr darbot, stand dem draußen keinen Deut nach. Zwar gingen wohl die meisten Verwüstungen, die sie sah, eher auf das Konto der Zeit oder auf das von Bruder Abbé, der in dem kleinen Raum Platz für Helle und sich geschaffen hatte - die drei Bankreihen waren zerschlagen und zu zwei unordentlichen Haufen beiderseits der Tür aufgeschichtet, und der kleine Altar stand schräg, als wollte er jeden Moment zusammenbrechen - aber auch Olof hatte durch sein Wüten zu der Zerstörung beigetragen. Bruder Abbé, der ein
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