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Die Tatarin

Titel: Die Tatarin
Autoren: Iny Lorentz
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die Kosaken an. »Wenn wir erst in Karasuk sind, könnt ihr so viel Wodka saufen und Huren stoßen, wie ihr wollt.«
    Einer der Männer lachte böse auf »Dazu muss uns aber der ausstehende Sold ausgezahlt werden.«
    »Ich werde mit Sergej Wassiljewitsch darüber reden«, versprach Wanja verärgert.
    Der Kosak hob begütigend die Hand. »Wir haben es doch nicht böse gemeint, Väterchen. Außerdem ist dieses Tatarengesöff wirklich nicht mit unserem russischen Wässerchen zu vergleichen.« Der Mann hatte die Verteidiger wohl ebenfalls gezählt und befunden, dass ein paar Becher saurer Kumys und ein paar weiche, aber widerstrebende Frauenschenkel das Loch nicht wert waren, das einem ein Tatarensäbel in den Leib schneiden konnte.
    Wanja sah, dass Kitzaq stehen geblieben war und mit seinen Stammesgenossen redete, und fuhr ihn zornig an. »Beeil dich gefälligst und hole Möngürs Sohn! Wir wollen hier nicht Wurzeln schlagen.«
    Der Tatar wies auf die sinkende Sonne, die kaum eine Handbreit über dem Horizont stand. »Wir sollten hier übernachten! Oder willst du einen oder zwei Werst von hier in der Steppe lagern?«
    Wanja ärgerte sich über Kitzaqs Spott und zog die Schultern hoch. Das schien der Tatar als Zustimmung zu werten, denn er rief ein greisenhaftes Weib herbei und befahl ihr, die Russen zu versorgen. Die Alte wies Wanja und seinen Leute eine Jurte außerhalb der Palisade an und brachte ihnen Wasser und etwas Ziegenbraten. Dann zog sie sich mit einer gemurmelten Verwünschung zurück.
    Kitzaq war froh, die Ereignisse zuerst seinen Stammesfreunden berichten zu können, auch wenn seine Nachrichten niederschmetternd waren, denn auf diese Weise konnte er das Gespräch mit seiner Schwester noch etwas hinausschieben. Als er ihnen erklärte,dass er Ughur zu den Russen bringen müsse, hätten die Blicke, die ihn streiften, auch einem Schwerverletzten gelten können, an dessen Überleben niemand mehr glaubte, und ihre Mienen machten Kitzaq klar, dass er von den Männern keine Unterstützung zu erwarten hatte. Daher holte er tief Luft und wappnete sich innerlich für die Auseinandersetzung mit der Khanum.
    Zeyna, die Lieblingsfrau Möngür Khans, empfing ihren Bruder in der Holzhütte, in der ihr Mann seine Schätze aufbewahrte. Die Einrichtung des Gebäudes hatte keine Ähnlichkeit mit der eines russischen Hauses, sondern glich der einer Jurte. In der Mitte befand sich eine mit großen Steinen gesäumte Feuerstelle, an den Wänden standen leicht zu transportierende Kästen, die mit Teppichen bedeckt waren und auch als Sitzgelegenheiten dienten, und über ihnen hingen verschiedene Waffen, zumeist Beutestücke, die der Khan in vielen Stammesfehden errungen hatte. Auf einem Wandteppich im Hintergrund, der die Bedeutung des Prunkstücks noch unterstreichen sollte, hing ein Ehrensäbel, den einer der mächtigeren Emire – Möngür behauptete, es wäre der von Karaganda – dem Khan als Geschenk hatte überreichen lassen. Nur der etwa mannslange Tisch in einer Ecke passte nicht in diese nomadische Welt. Möngür hatte ihn von dem Knecht eines russischen Händlers anfertigen lassen, um einigen besonderen Besitztümern einen herausragenden Platz zu verschaffen. Nun trug die polierte Holzplatte Trinkgefäße aus verschiedenfarbigen Gläsern, Messingplatten, die so blank geputzt waren, dass sie wie Gold glänzten, ein paar kupferne Teller und einen geschmückten Koran, der, wie eine verblasste Aufschrift behauptete, aus Mekka stammen sollte.
    Mit dieser Sammlung wollte Möngür zeigen, was für ein bedeutender Mann er war, und für Zeyna bot die Häuptlingshütte nun einen Ort, an dem sie dem Unglück, das sie und den Stamm getroffen hatte, trotzen und neuen Mut schöpfen konnte. Die Khanum war eine kleine, stämmige Frau um die dreißig, die mit ihrem runden Gesicht, den vollen Lippen, der kurzen Nase und den großen, wie Jettglänzenden Augen als Schönheit galt. Dies unterstrich sie noch mit ihrer Hörnerfrisur, die nur angesehene Ehefrauen tragen durften.
    Kitzaq erkannte sofort, dass die Sorge um Möngür und ihre Neugier seine Schwester innerlich fast verbrannten. Dennoch überfiel sie ihn nicht mit Fragen, sondern klatschte in die Hände und befahl einer herbeihuschenden Frau, Kumys für ihren Bruder zu bringen. Geduldig wartete sie, bis er den ersten Becher leer getrunken hatte. Dann scheuchte sie ihre Sklavin hinaus und forderte Kitzaq auf, ihr alles zu erzählen, was sich zugetragen hatte. Die schlechteste Nachricht
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