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Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Titel: Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
Autoren: Hans-Werner Sinn
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Rechtssicherheit für grenzüberschreitende wirtschaftliche Aktivitäten, eine Infrastruktur, die nicht an den Grenzen haltmacht, und nicht zuletzt gemeinsame Sicherheitsinteressen. Diese Vorteile haben eine so überragende Bedeutung im Leben vieler Europäer bekommen, dass es keine Veranlassung gibt, die europäische Integration als solche infrage zu stellen. Es gibt ganz im Gegenteil noch sehr viel Harmonisierungsbedarf, weil ein alleiniger Wettbewerbsföderalismus aus recht grundsätzlichen Erwägungen zum Scheitern verurteilt ist. Im Übrigen ist in der EU ein gutes Stück europäischer Identität herangewachsen, das man nicht gering schätzen sollte.
    Sicher, das im Maastrichter Vertrag verankerte Subsidiaritätsprinzip besagt,  24 dass man die ökonomischen Entscheidungen der Menschen auf der tiefstmöglichen Ebene belassen soll, idealerweise sogar beim Individuum selbst. Nur in begründeten Ausnahmefällen sind die Entscheidungen auf eine kollektive Ebene zu heben, dort aber dann auch nur auf die jeweils niedrigste der möglichen Ebenen. Wenn nicht das Individuum entscheiden soll, dann die Familie; wenn nicht die Familie, dann die Gemeinde; wenn nicht die Gemeinde, dann das Land, dann der Bund – und erst ganz am Ende die europäischen Institutionen. Nur in der Nähe der Basis ist nämlich das Problemwissen vorhanden, das man für sachgerechte Lösungen braucht, und nur wenn die Entscheidungen dort fallen, bleiben die Freiheitsrechte der Menschen gewahrt.
    Indes gibt es genug begründete Ausnahmefälle, die der kollektiven Aktion bedürfen. Dazu gehört neben den genannten Problemfeldern im Bereich der Infrastruktur, der Verteidigung und der ökonomischen Grundfreiheiten vor allem der Bereich der Regulierung wirtschaftlicher Aktivitäten – denn es gibt wenig Veranlassung für die Vermutung, dass sich aus einem Wettstreit unterschiedlicher Regulierungssysteme schon von ganz allein die besten Systeme herausbilden würden.
    Der Bereich der Bankenregulierung ist das zurzeit aktuellste Beispiel. Es wurde im Kapitel 10 im Abschnitt Die Bankenunion schon angesprochen. Wenn die Ge- und Verbote, die die Banken bei ihrem Geschäft beachten müssen, auf nationaler Ebene festgelegt werden, das Bankgeschäft aber international mobil ist, hat die nationale Regulierungsbehörde stets einen Anreiz, lasche Standards zu setzen, um das Geschäft nicht in andere Länder zu vertreiben, sondern von dort anzulocken. Der Regulierungswettbewerb degeneriert zu einem Laschheitswettbewerb, weil sich die Vorteile der laschen Regulierung in Profiten zu Hause niederschlagen, während die Verluste bei den weltweit verteilten Gläubigern der Banken liegen. Bei vollkommener Information müsste man dieses Ergebnis nicht befürchten, wohl aber angesichts der tatsächlich vorhandenen Komplexität des Bankengeschäfts, der nur die Fachleute halbwegs gewachsen sind. Es gibt noch viele ähnliche Beispiele aus dem Bereich der Normen, der Wettbewerbspolitik oder der Besteuerung, die man hier ebenso anführen könnte und die auch wissenschaftlich untersucht wurden. Dabei geht es meist um das Phänomen, dass dieselben Marktfehler, die man auf nationaler Ebene durch eine Regulierung hat vermeiden wollen, auf der internationalen Ebene des staatlichen Wettbewerbs wieder auftauchen. Ich habe dieses Phänomen einmal das Selektionsprinzip genannt. Gerade weil Staaten das tun, was der Markt nicht kann, muss man befürchten, dass der Wettbewerb der Staaten unter denselben Fehlern leidet, derentwegen die Staaten aktiv wurden.  25 Insofern sprechen viele grundsätzliche Erwägungen für eine weitere Vertiefung des europäischen Integrationsprozesses bis hin zur Schaffung eines gemeinsamen europäischen Staates.
    Die Gefahr eines solchen Weges liegt aber immer darin, dass kollektive Entscheidungsgremien nicht nur kollektive Leistungen erbringen, die für alle nützlich sind, sondern ihre Macht für die Umverteilung von Ressourcen zwischen den teilnehmenden Ländern missbrauchen. Gerade auch demokratische Gremien sind vor dieser Gefahr nicht gefeit. Sie erlauben es ganz im Gegenteil, dass Mehrheiten Minderheiten ausbeuten. Um dieser Gefahr zu begegnen, bedürfen sie stets besonderer Regeln zum Minderheitenschutz, zum Beispiel durch das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit oder der Einstimmigkeit bei den Entscheidungen. Die fiskalischen Entscheidungen des EZB-Rates, die in diesem Buch untersucht wurden, sind ein besonders drastisches Beispiel für dieses
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