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Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Titel: Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
Autoren: Hans-Werner Sinn
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den Kapitalanlegern die Angst vor einem Engagement genommen wird. Die Krisenländer sind wieder solvent, tilgen ihre Schulden, und alles ist wieder in Ordnung. Das Geld muss lediglich im Schaufenster liegen, um den Beruhigungseffekt zu erreichen; genommen wird es nicht. Und wenn es doch genommen wurde und die Krise immer weitergeht, dann nur deshalb, weil das Geld zu spät ins Schaufenster gelegt wurde und die Geberländer zu knauserig waren.
    Nach der Fass-ohne-Boden-Theorie haben die Kapitalmärkte allen Grund, skeptisch zu sein, weil die Südländer über ihre Verhältnisse gelebt und ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren haben, vom ausländischen Kredit abhängig wurden und nun ihres Schuldenbergs nicht mehr Herr werden. Die Vertreter dieser Theorie argumentieren: Es stimmt zwar, dass die Skepsis der Gläubiger sich gegenseitig verstärkt und insofern die Krise beschleunigt, nur liegt das in der Natur der Sache. Maßnahmen zur Schuldensozialisierung, die die Zinsunterschiede zwischen den Ländern einebnen, veranlassen die Krisenländer, sich weiter zu verschulden, und verschlimmern das Problem, statt es zu lösen, weil immer größere Summen auf dem Spiel stehen und der unvermeidliche Crash immer gefährlicher wird.
    Man kann nicht sagen, dass die eine oder andere Theorie bei allen Ländern grundsätzlich falsch oder grundsätzlich richtig ist. Wie die Verhältnisse im Einzelnen liegen, hängt sehr davon ab, welches der Krisenländer man vor Augen hat und welchen Zeitpunkt man betrachtet. Wie dieses Buch zeigen wird, passt auf Griechenland wohl eher die zweite und auf Irland möglicherweise eher die erste Theorie. Und was den Zeitpunkt betrifft, so wird man für die Lehman-Krise des Jahres 2008, als der Interbankenmarkt das zweite Mal und dann auch großflächig zusammenbrach, wohl eher davon ausgehen können, dass sich die Garantieversprechen positiv auf die Stabilität des Eurosystems ausgewirkt haben, während sich heute, gegen Ende des fünften Krisenjahres, der Eindruck verdichtet, dass die Krise durch die finanziellen Rettungsmaßnahmen nicht zu lösen ist, ja in Wahrheit nur verschleppt wird. Immerhin wurden den Krisenländern, wie in Kapitel 9 dieses Buches vorgerechnet wird, bis zum 3. August 2012 1,55 Billionen Euro an Rettungskrediten inklusive der Mittel des Zentralbankensystems zur Verfügung gestellt, wovon 1,42 Billionen Euro bereits abgerufen wurden. Der Teil der Geldsumme, der aus dem Schaufenster genommen wurde, ist riesig.
    Mehr als zwei Drittel dieser Summe, etwa 971 Milliarden Euro, bestehen aus den Target-Krediten, die diesem Buch seinen Titel gegeben haben. Dabei handelt es sich um Geldschöpfungskredite, die, toleriert und unterstützt durch die Europäische Zentralbank, vom einen zum anderen Land verlagert werden, um Ersatz für die wegbrechenden oder als zu teuer empfundenen privaten Kredite zu bieten. Man kann auch von Krediten in Form eines Verleihs der Notenpresse sprechen. Deutschland musste bis zuletzt (Juli 2012) etwa 727 Milliarden Euro zu diesen Krediten beitragen. Die Kredite verzerren die Investitionsentscheidungen in Europa, lenken die wirtschaftlichen Kräfte nicht dahin, wo sie die größte Wirkung für das Wachstum in Europa entfalten können, und implizieren erhebliche Haftungsrisiken, die sich kaum von den Risiken der offenen Kreditvergabe unterscheiden. Da der EZB-Rat, auf dessen Entscheidungen die Target-Kredite zurückgehen, nicht demokratisch legitimiert und einseitig, ohne Rücksicht auf Größe und Haftung einzelner Euroländer, zusammengesetzt ist, die Target-Kredite in ihrem Kern aber fiskalischen Charakter haben, stellt sich hier auch ein schwerwiegendes rechtliches Problem für die Funktionsweise der Europäischen Währungsunion.
    Die Target-Kredite lagen seit dem Anbeginn der Währungsunion in unbegrenzter Höhe im Schaufenster, und sie haben die Eurozone ein Jahrzehnt in der Tat bei niedrigsten Zinsen stabilisiert. Das billige Geld hat aber die Überschuldung der Südländer überhaupt erst ermöglicht, indem es einen inflationären Wirtschaftsboom erzeugte, der diese Länder ihrer Wettbewerbsfähigkeit beraubte und sie insofern von dem Nachschub immer mehr billigen Geldes abhängig machte. Den privaten und öffentlichen Schuldenberg, unter dem die Eurozone heute leidet, kann man zwar mit immer mehr Kredit eine Zeit lang vor sich herschieben, ohne dass es zum Crash kommt, aber er verschwindet dadurch nicht, sondern wird immer größer, bis es schließlich doch
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