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Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)

Titel: Die Target-Falle: Gefahren für unser Geld und unsere Kinder (German Edition)
Autoren: Hans-Werner Sinn
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Problem, denn es handelt sich dabei um einfache Mehrheitsentscheidungen eines nicht einmal demokratisch besetzten Gremiums, die auf eine massive Vermögensumverteilung zwischen den Staaten Europas und von unbeteiligten Steuerzahlern aus stabileren Ländern zu beteiligten Gläubigern weltweit hinauslaufen.
    Die Umverteilung als solche kann als kollektiver Vorteil aller Staaten begriffen werden, wenn sie den Charakter eines Versicherungsschutzes annimmt. Schließlich ist jede Versicherung ein Umverteilungssystem, das die Ressourcen von denen, die Glück hatten, aufdie Pechvögel umverteilt. Für eine solche Interpretation ist es freilich erforderlich, dass die Entscheidung darüber hinter dem Schleier des Unwissens getroffen wurde, bevor die Würfel des Schicksals fielen und bevor man wusste, wer Glück und wer Pech hat.
    Das ist bei den europäischen Umverteilungsentscheidungen von heute definitiv nicht der Fall, denn sie werden ja getroffen, nachdem der Schaden bereits aufgetreten ist. Außerdem hatte man im Vorhinein, bei der Abfassung des Maastrichter Vertrages, mit dem Beistandsverbot nach Art. 125 AEUV den Abschluss eines Versicherungsvertrages explizit verneint.  26
    Der im Euroraum eingeschlagene Weg zur Haftungsunion, die gegen die Wünsche der Bevölkerung durchgepeitscht wird, führt nicht zu einem Bundesstaat im eigentlichen Sinne des Wortes, also nicht zu einem Bündnis von Gleichen, die sich in freier Entscheidung zusammentun und sich gegenseitig Schutz versprechen. Stattdessen führt er, wenn er überhaupt irgendwohin führt, zu einem Einheitsstaat, der unter Missachtung der Wünsche der Bevölkerung und durch die Handlungszwänge der Target-Falle zustande kam.
    Der Weg kann auch schon deshalb nicht zu den Vereinigten Staaten von Europa führen, weil ein Großteil Europas gar nicht mitmacht. Im Norden und im Osten fehlen die größten Länder, und es ist mit ziemlicher Sicherheit davon auszugehen, dass sie sich auch niemals freiwillig in die vorbereitete Haftungsunion hineinbegeben werden. In Dänemark ist der Beitrittswunsch genauso erlahmt wie in Polen, und in der Tschechischen Republik wie in Schweden hat sich die ablehnende Haltung gegenüber dem Eurosystem noch verstärkt. Die Behauptung, das Eurosystem lasse sich in die Vereinigten Staaten von Europa verwandeln, hat ihre Überzeugungskraft verloren. Der jetzt eingeschlagene Weg in die Haftungsgemeinschaft wird viel eher zu einer tiefen Spaltung Europas führen.
    Das ist das Problem mit den Kollektivierungsansätzen der europäischen Institutionen in dieser Krise. Man fordert Versicherungsschutz ein, ohne einen Vertrag geschlossen zu haben, weil man davon ausgeht, dass das Eurosystem schon implizit ein solcher Vertrag sei. Davon kann aber nicht die Rede sein. Um solche weitreichenden Kollektivierungsmaßnahmen zu begründen, wie sie gefordert werden, hätte man einen gemeinsamen Bundesstaat gründen müssen, und zwar einen, dessen Bindungswirkung noch über die der Vereinigten Staaten hinausgeht, denn nicht einmal dort kennt man die Kollektivierung der Staatsschulden zwischen den Bundesstaaten.
    Wer sich auf Hamilton bezieht und will, dass die noch soliden Staaten Europas die Altlasten der Krisenländer schultern, muss mit der Zustimmung der Bevölkerung erst den europäischen Bundesstaat gründen. Wenigstens müssen diejenigen, die heute zahlen, davon ausgehen können, dass ihre Kinder und Kindeskinder in hundert Jahren, wenn sie einmal ähnliche Hilfe benötigen, auf einen entsprechenden Schutz der anderen zählen können. Nur der gemeinsame Staat kann einen solchen glaubhaften langfristigen Versicherungsschutz begründen und sicherstellen, dass sich die Nettoempfänger von heute später nicht verweigern können, wenn sie um reziproke Leistungen gebeten werden.
    Ein Bundesstaat braucht ein gemeinsames Rechtssystem, eine gemeinsame Armee zur Verteidigung nach außen und eine zentrale Gewalt, die die Nettozahler bei der Stange hält und die Nettoempfänger von Leistungen zu einem regeltreuen Verhalten zwingt. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann man Transfersysteme etablieren. Je größer die Umverteilungsaufgaben sind, desto stärker sind die zentrifugalen Kräfte des Systems, und desto stärker muss die Zentralgewalt sein, um alles zusammenzuhalten. Nur wenn die Umverteilung im Sinne eines wirklich glaubhaften und langfristig gesicherten Versicherungsschutzes auf Gegenseitigkeit interpretiert werden kann, kann es überhaupt
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