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Die Tagebücher (German Edition)

Die Tagebücher (German Edition)

Titel: Die Tagebücher (German Edition)
Autoren: Richard Burton
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hoffe«), habe dieser geantwortet, dass Burton eben offensichtlich »zu glücklich« sei, ein Erklärung, die Burton im Gespräch mit Cavett nicht ganz einleuchten will: »Ich bin früher glücklich gewesen und habe weitergeschrieben, ich weiß immer noch nicht recht warum. Jedenfalls schreibe ich es gelegentlich weiter.«
    Anscheinend nur selten las Burton seine Einträge noch einmal oder versuchte, eine Erzählung zu schreiben, die mehrere aufeinanderfolgende Tage umspannte. Am 23. Juli 1969 merkte er an, dass er anfangen müsse, »dieses Tagebuch zusammenzufügen. Ich lege das Blatt immer in die nächstbeste Schublade und kann dann nicht mehr nachsehen, was ich worüber oder über wen geschrieben oder nicht geschrieben habe.«
    Möglicherweise dachte Burton daran, eines Tages seine Autobiografie zu schreiben. Im Oktober 1968 notierte er, dass man ihm eine Million Dollar für das Tagebuch vom Umfang eines Monats angeboten hätte. Er war nicht sehr überzeugt, dass es interessant sein würde, und hielt die Vorstellung für »verrückt«. Im August 1976 schrieb der Agent Robbie Lantz an Burton, besorgt, dass er an einem Buch, womöglich seiner Autobiografie sitze; es gibt keine Spur von Burtons Antwort. Nach den Hinweisen im Tagebuch selbst zu urteilen, war er sich über ein autobiografisches Projekt unschlüssig: Er war sich unsicher, ob es wirklich ein Publikum für sein Leben gäbe, und betrachtete das ganze Genre der Schauspielerautobiografie mit Argwohn. Gewiss, wäre ihm ein längeres Leben beschieden gewesen, hätte er es sehr wohl für lohnenswert halten können: Dass er einiges Talent für Autobiografisches hatte, wird an den zehn aus Tagebuchmaterial ausgearbeiteten Artikeln deutlich, die er veröffentlichte, besonders bei »A Christmas Story«, »Meeting Mrs Jenkins« und seinen Rugby-Artikeln.
    Burtons plötzlicher, unerwarteter Tod im Alter von 58 Jahren bedeutete, dass seine Absichten für seine Tagebücher nicht geklärt waren. Als 1988 die Biografie von Melvyn Bragg »unter Verwendung der Tagebuchnotizen des berühmten Schauspielers« veröffentlicht wurde, wie es im Untertitel hieß, wurde verschiedentlich behauptet, Burton hätte gewollt, dass sie vernichtet würden oder zumindest bis 20 Jahre nach seinem Tod unter Verschluss blieben. Burton selbst hatte womöglich die damals geltende 30-Jahre-Regel für offizielle Dokumente im Kopf. Unter seinen Unterlagen findet sich ein undatiertes Telegramm an den Anwalt Aaron Frosch, offenbar in Erwiderung auf eine Anfrage nach einer Autobiografie:
    »Mein Tagebuch ist mein persönlicher Besitz und wird von niemandem außer Elizabeth gelesen. Es wird aus offensichtlichen Gründen bis 100 Jahre nach unser aller Tod nicht veröffentlicht, außer in abgeschwächter Form. Ich lese es nicht mal selbst. Es ist bloß eine tägliche Übung, der Frustration zuvorzukommen.«
    Liest man die Tagebücher heute, wundert man sich, wie wenig die im Telegramm zum Ausdruck gebrachte Einschätzung mit ihnen zusammenpasst. Es gibt relativ wenig Beleidigendes darin, nicht einmal zur Zeit der Abfassung (als die meisten der Erwähnten noch lebten). Burton liefert den Lesern keine Liste seiner Eroberungen und offenbart nicht bis dato verborgene sexuelle Vorlieben von Schauspielkollegen. Es gibt keine großen Enthüllungen von Korruption oder kriminellen Vorgängen. Stattdessen erzählen die Tagebücher vom Leben und den Gedanken Richard Burtons. Aber erzählen sie auch die Wahrheit?
    TAGEBÜCHER, BIOGRAFIE UND »WAHRHEIT«
    »Hier spricht er so wahrhaftig wie er nur kann.«
    Melvyn Bragg, Richard Burton
    »Ich lüge nie, wenn ich schreibe. Ehrlich. Obwohl ich da nicht so sicher bin!«
    Tagebuch, 25. Mai 1969
    Auf einer Ebene liegt der Reiz der Tagebücher als »wahrhaftige« Quelle auf der Hand. Es sind Aufzeichnungen einer Person über ihre Unternehmungen, Gefühle und Ansichten. Wenn der Autor ihr einziger Leser wäre, dann ergäbe eine ungenaue, unaufrichtige oder in anderer Weise falsche Darstellung, so könnte man argumentieren, keinerlei Sinn. Tagebücher können als unvermittelte, unreflektierte und natürliche Kommentare präsentiert werden, die einen unverstellten Blick ins Bewusstsein und auf Ereignisse eröffnen, wie ihn die meisten konkurrierenden Quellen nicht bieten können.
    Doch es ist klar, dass eine solche Darstellung des Tagebuchschreibens als Genre eindimensional und irreführend ist. Schon der Prozess des Erinnerns und erst recht des Aufschreibens ist selbst ein
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