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Die Tage sind gezählt

Die Tage sind gezählt

Titel: Die Tage sind gezählt
Autoren: Ronald M. Hahn
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übel. Ich kehrte in meine Grotte zurück und verbrannte meine Kleider. Ich desinfizierte mich, gab mir verschiedene Injektionen und schlüpfte in die Abschirmkleidung. Dann verkroch ich mich in der Tiefe und blätterte weiter in den halbzerfallenen Büchern, kletterte ab und zu in meinen geschützten Ausguck und wartete.
    Wartete auf das nächste Wunder, acht Jahre lang.

    Übersetzt von Horst Adam

Bob Van Laerhoven
Das Ende und der Anfang
    Wenn man in einen Tunnel hineinläuft, ist es genauso, als würden die eigenen Schritte die Töne eines riesenhaften Herzens imitieren. Und ich lief sehr schnell. Hinter mir erklangen Pfeifensignale und heftiges, wütendes Gebell. Die nebelhaften Gesichter der Menschen, an denen ich vorbeirannte, waren Flecken von Grau und Dunkelbraun, mit hie und da aufleuchtenden Silberspritzern, die das beinahe schmerzhaft leuchtende Licht an der Decke erzeugte.
    Wenn sie mich einholten, würden sie mich auf der Stelle in Stücke reißen, denn ich hatte ihren ideologischen Führer völlig überraschend und auf eine für sie unbegreifliche Weise umgebracht. Zehn Minuten war das her, so daß ich noch in der Lage war, trotz des fressenden Zweifels, das Gefühl des Sieges zu genießen. Das Gefühl des Sieges?
    Ich hatte ihn im gleichen Augenblick getötet, indem ich die Augenklappe meiner Maske geschlossen hatte; als ich in sein Universum sprang und den Tumor in sein Herz hineintrug, anstatt ihn auszubrennen. Ich hatte ihn getötet, weil ich ihn haßte.
    Aber selbst der Haß, kombiniert mit meiner speziellen Eigenschaft konnte nichts gegen die Menge der Verfolger ausrichten, und so floh ich um mein Leben. Es wäre vielleicht einfacher gewesen, stehenzubleiben, die Augenklappen zu schließen und eine Reihe von ihnen umzubringen, bevor sie mich töteten. In meiner ersten Euphorie hätte ich dergleichen sicherlich getan. Aber dazu war es nun zu spät.
    Ich flüchtete weiter, denn ich wollte meinen Sieg so lange wie möglich genießen. Neben mir zischte ein Strahl dahin und verdampfte die Wand. Sie begann zu qualmen, und der Rauch hinterließ ein schwarzes Loch, so daß die nackte Spannbetonhaut zwischen den Sternen zu erkennen war. Ich lief ein paar Stufen hinauf, während hinter mir das Gebrüll an Intensität zunahm. Der Himmel fiel auf meine Schultern, als ich versuchte, mich zu orientieren. Dieses Stadtviertel war ziemlich verlassen, aber der Smog sorgte dafür, daß ich nicht sonderlich weit sehen konnte. Ich strauchelte über einen Haufen Müll und fiel gegen die offenstehende Tür eines fünfzig Jahre alten Opel Kadett, sprang über einen Stapel verrosteter Eisengitter und verfaultes Treibholz. Das Treibholz inspirierte mich. Der Fluß konnte nicht mehr weit sein. Ein erneuter Strahl verwandelte den abgewrackten Kadett hinter mir in einen stinkenden, glühenden Klumpen sich zusammenziehenden Blechs. Es mußte noch Benzin im Tank gewesen sein, denn plötzlich durchdrang ein ziemlich lauter Knall die Nacht, und eine Flammenzunge zuckte aus der Motorhaube hervor. Ich wußte, daß ich gegen eine Flamme eine ziemlich gute Silhouette abgab, deshalb duckte ich mich rasch in die Ecke eines Gebäudes, das früher einmal eine Hafenkneipe gewesen war, und hüpfte über eine Reihe vergammelt aussehender, von Moos überwachsener Bierfässer. Und dann sah ich den Fluß vor mir. Das Geschrei kam näher.
    Ich blickte in die Luft: Einige Punkte, die den herrschenden Verkehr anzeigten … und ein großer Bullencopter, der aber noch weit genug entfernt war, um mich nicht sehen zu können, nicht mal mit einem Fernglas. Einen Kilometer weiter schlängelte sich wie ein siamesisches Zwillingstier eine Brücke über das dunkle Wasser. Einige ziemlich alte, träge Hovercrafts glitten müde über das Wasser. Die dunklen Silhouetten der Kräne hoben sich scharf gegen den Himmel ab, und in der Ferne wurden die helleren Flecken wieder dunkler durch die gewaltigen Schornsteine, an der Basis schmal, einen Kilometer höher jedoch ziemlich breit, die Rauchwolken ausstießen. Ich benötigte nur eine Sekunde, um all das in mich aufzunehmen, um es zu prüfen, denn ich hielt noch ziemlich viel von meinem Leben. Das lauter werdende Geschrei und die hinter den Türmen auf tauchenden Bullencopter gaben mir den letzten Anstoß. Ich zögerte nicht, sondern tauchte unter. Kein Mensch, der Herr seiner fünf Sinne war, wäre in dieses Wasser hineingestiegen. Aber jemand, der Theodore getötet hatte, konnte seine Sinne ohnehin nicht
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