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Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Arbeit »ziemlich« oder sogar »völlig« zufrieden sind.
     
    Bei rechter Betrachtung scheint es denkbar, dass die Beschäftigung mit dem Orchester ähnlich vielseitig ist wie die mit dem Garten,
     
    und vielleicht haben die Pflege der Musik und die Pflege der Natur mehr miteinander zu tun, als man auf Anhieb annehmen könnte. Vielleicht tut sich hier ein fruchtbarer Seitenzweig der Erkenntnis auf. Vielleicht auch nicht. Wir werden dem nicht weiter nachgehen.
    Die Musiker jedenfalls haben sich mit dem Garten gar nicht befasst. Er war, das lässt sich nicht anders sagen, weitgehend verwildert. An den Rändern standen alte Eiben, einige von beachtlicher Höhe. Es fällt mir schwer, ein gutes Wort für diese Pflanze zu finden. Sie gehört mit ihrem undurchdringlich traurigen Grün und ihrem widerspenstigen Wuchs sicher zu den düstersten und trübsinnigsten Gewächsen, die sich im Garten denken lassen. Ihr Vorteil, wenn man das so nennen will – ich würde eher sagen: ihre Charakterlosigkeit liegt im völligen Fehlen jeder Bedürfnisse. Man kann sie in irgendeiner schattigen Ecke in den Sand pflanzen und weder gießen noch düngen, und sie wird einem das in ihrer ganzen unsympathischen Anhänglichkeit mit stetem Wachstum und überlangem Leben danken. Für die Randbepflanzung eines stillgelegten Friedhofs mag das noch hingehen – irgendjemand jedoch war auf die Idee gekommen, eine solche Eibe in das Zentrum dieses Gartens zu setzen. Sie muss da schon viele Jahre gestanden haben, vier, fünf Meter Höhe hatte sie am Ende erreicht und eine entsprechende Ausdehnung. Sie stand da, dräuend wie der schwarze Monolith in Kubricks 2001 - ODYSSEE IM WELTRAUM , ein dunkles, mahnendes Zeichen für schlechten Geschmack.
    Wobei vielleicht noch zu erwähnen ist, dass die Eibe zu den giftigsten Gartenpflanzen gehört, die einem so einfallen können.
     
    Bei entsprechender Dosierung versterben die meisten Säugetiere, der Mensch eingeschlossen, erstaunlich schnell an Atemlähmung und Herzversagen.
     
    Kaninchen und Meerschweinchen etwa bringen Sie mit rund zwei Gramm Eibennadeln um die Ecke, für Pferde braucht es etwa 100 bis 200 Gramm, ein Mensch findet nach Einnahme eines Suds aus 50 bis 100 Gramm Eibennadeln den sicheren Tod. Im Internet findet sich der Hinweis, dass auch das Einatmen des Blütenstaubes gefährlich sein soll: in England sollen dadurch fünf Rentner gestorben sein. Aber es steht ja auch viel Unsinn im Netz. Aus den Früchten lässt sich allerdings Marmelade kochen, die sehr schmackhaft sein soll und vollkommen ungefährlich, wenn es Ihnen gelingt, vorher die Samenkörner vollständig zu entfernen, die wiederum hochgiftig sind. Vielleicht eher als Geschenk denn zum Selbstverzehr geeignet.
    Es kann ein Zufall sein, vielleicht aber auch ein Hinweis auf unvollendete Pläne einer der beiden miteinander verfeindeten Eigentümerparteien, jedenfalls war die Eibe nicht die einzige Giftpflanze im Garten: es fanden sich daneben noch Goldregen und Fingerhut. Vermutlich war es gut, dass die Eigentümer ihr Miteinander am Ende durch eine Zwangsversteigerung beschließen wollten und nicht zu anderen Mitteln gegriffen haben. Tegel ist kein schöner Ort, nicht mal für einen Orchestermusiker.
    Es gab aber auch essbare Pflanzen im Garten: drei alte Apfelbäume, ein Kirschbaum, ein Pflaumenbaum, ein Mirabellenbaum und außerdem eine beeindruckende Forsythie und jede Menge Jasmin und Flieder. Das war nicht so schlecht. Aber die Bäume waren lange nicht mehr geschnitten worden, die Kirsche war nach oben hin ausgewachsen, zwei der Äpfel und die Pflaume waren krank, ich musste sie fällen.
     
    Die beiden Männer hatten das Grundstück geteilt, die unten wohnende Partei erhielt den hinteren Teil des Gartens, die oben wohnende den neben dem Haus liegenden. Wenn nun die oben wohnende Partei sich in ihrem Teil des Gartens hätte aufhalten wollen, vielleicht um dort Freunde zu bewirten, mit den Kindern in der Sonne zu spielen oder um sich der Gartenarbeit zu widmen, dann hätte sie das gemeinsame Treppenhaus mit den zu Feinden gewordenen früheren Freunden noch häufiger nutzen müssen, als ohnehin nicht zu vermeiden war: noch mal rauf, nach dem Teewasser sehen, mehr Kuchen holen, eine Decke, den Ball, das Telefon, die dreizinkige Harke. Mehr Auf und Ab im Treppenhaus hätte mehr Risiko des Kontaktes bedeutet. Von der plötzlichen Nähe im Garten mal ganz abgesehen.
    Es war vielleicht dieser Grund, der den oben wohnenden Musiker und
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