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Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
Autoren: Carl Hanser Verlag
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die Arbeit, das Alleinsein, das In-sich-Gehen. Und dann etwas werden. Das ist übrigens ein interessanter Gedanke: Der Gärtner ist allein.
     
    Die große Bedeutung der Arbeit für den Menschen ist lange bekannt. Eine der hübschesten Manifestationen dafür – dass die Arbeit wichtig sei und wir das lange wissen – wurde leider abgeräumt und ausgelöscht und soll darum hier ein kleines Denkmal erhalten: Es geht um den Saal Sechs des Museums für Naturkunde an der Berliner Invalidenstraße, und zwar in dem Zustand, den er zum Zeitpunkt des Falls der Berliner Mauer hatte und auch noch einige Jahre danach. Saals Sechs war seinerzeit der Krone der Schöpfung gewidmet: dem Menschen, dem sozialistischen. Linker Hand verlief in dem fensterlosen Raum eine Glasfront, nicht länger als ein paar Meter. Eigentlich gab es da nichts Besonderes zu sehen: einen Oberschenkelknochen, einen Unterkiefer, ein Schädeldach. Wirklich nichts Besonderes. Aber da waren auch ein paar Schautafeln, und es lohnte sich, einen Blick drauf zu werfen: Die Genese des historischen Materialismus wurde da kurz zusammengefasst, wenn nicht die des dialektischen. Das ist ja keine Kleinigkeit, auf so schmalem Raum.
    Schon in der Steinzeit hat nämlich das Sein das Bewusstsein bestimmt. Es fing mit dem Australopithecus an, vor ungefähr drei bis fünf Millionen Jahren: »Die Anfänge der Arbeit fanden in der Geräteherstellung ihren Niederschlag«, stand da. Beim Homo Erectus dann, achthundert bis dreihunderttausend Jahre her, hatte »die Arbeit ihren instinktmäßigen Charakter noch nicht ganz verloren, war jedoch zur Grundlage der menschlichen Existenz geworden«. Das klang freilich noch zurückhaltend.
    Der Neandertaler war schließlich der erste echte Marxist: »Die Arbeit wurde zur Einheit von Denken und Handeln«, sagt das Museum: »Die Ausgestaltung der Wechselbeziehungen zwischen Produktivkräften, Produktionsverhältnissen sowie geistigem und institutionellen Überbau bestimmten von nun an die Veränderung der Lebensweise des Menschen.« Und das Leben des Homo Sapiens, das ist eh klar, drehte sich hauptsächlich um das »dialektische Wechselverhältnis zwischen Stand der Produktion einerseits und den gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnissen andererseits«. Im Zuge der Renovierung und Modernisierung des Museums wurden diese dialektisch-didaktischen Hinweise leider entfernt.
     
    Im FÄNGER IM ROGGEN sagt Holden Caulfield, der den Verlust der Zeit am eigenen Leib schmerzlich spürt, nach einem Besuch des New Yorker Naturkundemuseums: »Manche Sachen sollten so bleiben, wie sie sind. Man sollte sie in einen großen Glaskasten stecken und so lassen können. Natürlich ist das unmöglich, das weiß ich, aber ich finde es trotzdem schade.« Aber in Wahrheit ist nicht einmal die Vergangenheit vor dem Wandel sicher, und auf der Suche nach dem Unvergänglichen ist nicht einmal das Museum ein zuverlässiger Ort.
    Es ist eine bedauerliche Fehlentwicklung der menschlichen Geistesgeschichte, dass die Arbeit vor allem im ökonomischen Zusammenhang analysiert worden ist. Dass sie viel zu häufig in den Kategorien der Produktivität behandelt wurde. Dabei hat bereits John Stuart Mill gesagt: »Die Worte produktiv und unproduktiv sind überflüssig, da die Worte nützlich und angenehm auf der einen Seite und nutzlos und wertlos andererseits ohne weiteres ausreichen.« Es ist keineswegs allen Nationalökonomen immer klar gewesen, dass – um mal einen zeitgenössischen Vergleich aufzugreifen – die Arbeit der berühmten Mailänder Opernsängerin Giuditta Pasta ebenso produktiv zu nennen sei wie die eines Baumwollspinners.
     
    Also, die Arbeit. Was Sie im Herbst versäumen, können Sie im kommenden Jahr kaum aufholen. Nie ist im Garten mehr zu tun als im Herbst.
     
    Je nach Charakter mag man es im Garten aber auch nie für schöner halten als im Herbst. Der Gärtner blickt sich noch einmal um und nimmt das alles auf und will es festhalten und mit in den Winter nehmen.
    Der italienische Künstler Leo Lionni hat darüber ein Kinderbuch geschrieben, FREDERICK. Lionni hat in den sechziger- Jahren wirklich sehr besondere Bücher gemacht, in einem ganz eigenen Stil, ruhige Bücher. Dieses Buch handelt von einer Familie schwatzhafter Feldmäuse. Wir zitieren: »Und weil es bald Winter wurde, begannen die kleinen Feldmäuse Körner, Nüsse, Weizen und Stroh zu sammeln. Alle Mäuse arbeiteten Tag und Nacht. Alle – bis auf Frederick«.
    »Frederick, warum
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