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Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein

Titel: Die Tage des Gärtners - vom Glück, im Freien zu sein
Autoren: Carl Hanser Verlag
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zupfen und schneiden.
    Ein Garten ist ja nicht so wie ein Kind. Das wächst und geht irgendwann aus dem Haus. Der Garten bleibt immer da. Will immer bekümmert werden. Und wenn Sie nachlassen, straft er sie unmittelbar mit Verwilderung. Wollen Sie das wirklich? Man kann auch ohne Garten sehr glücklich werden. Ziehen Sie in eine Etagenwohnung, meinetwegen mit Balkon – und dann bepflanzen Sie den Balkon nicht. Das geht ohnehin schief. Balkonpflanzen vertrocknen spätestens in den Sommerferien immer, weil die Hausmeisterin nicht wusste, dass Ihr Wunsch, sie möge täglich gießen, ernst gemeint war. Und sollten die Pflanzen wider Erwarten den ersten Sommer überleben, macht der Winterfrost sie auf jeden Fall fertig. Denn Sie haben garantiert vergessen, dass man die Töpfe mit Stroh oder Styropor gegen das Durchfrieren sichern muss.
     
    Noch können Sie umkehren.
     
     

 
Erde
     
    Als mein Garten und ich uns fanden, so kann man das wohl nennen, war er in keinem guten Zustand. Es hatten vor uns zwei Musiker mit ihren Familien das Haus bewohnt. Sie waren als Freunde eingezogen und dann zu Feinden geworden. Sie spielten in einem berühmten Orchester, dessen Name hier nichts zur Sache tut. Der eine schlug die Trommel, der andere … ich habe es vergessen. Ich habe die beiden nicht gut kennengelernt, aber sie schienen mir einander ähnlich in ihrer sonderbaren, in sich gekehrten Hemmungslosigkeit. Aber was weiß ich. Ich habe den Garten von ihnen übernommen und den Hinweis, dass irgendwo links der Hund der Familie begraben liegt. Meine Tochter hat da später auch das Meerschweinchen begraben. Wenn es um die Entsorgung von verstorbenen Hausgenossen geht, sind Kinder ja reichlich unsentimental. Sie hat das tote Tier damals einfach gepackt, in einen Karton geworfen und verbuddelt. Ich bin darauf vorbereitet, jederzeit und überall auf Knochen zu stoßen. Es kommt immer nach oben, was man vergräbt.
    Am westlichen Rand meines Gartens stieß ich eines Tages auf armdicke Fernmelde-Kabel aus dem Krieg, weil im Dachboden des Nachbarhauses eine Abhörstation der Nazis untergebracht war. Nahe der Terrasse fand ich Reste von Betonfundamenten, denen ich gar nicht weiter nachgehen wollte. Und im Osten habe ich eine schmale Zone, die voller Schlacke ist, schwarz, verschmolzen, bald einen halben Meter tief, Gott weiß, woher die stammt.
    Die Musiker. Sie hatten sich zerstritten und hatten nach langen Kämpfen beide das gemeinsame Haus verlassen und führten den Krieg nun von anderen Stützpunkten weiter. Da wir zunächst nur als Mieter in dieses Haus kamen, wurden wir ohne unser Zutun in diesen Streit hineingezogen, dessen Weiterungen hier ohne Bedeutung sind. Es lohnt sich allerdings, ein kurzes Augenmerk auf die Existenzform des Orchestermusikers zu werfen, die fraglos zu den interessantesten und heikelsten gehört, die sich denken lassen. Keine einfachen Menschen, diese Orchestermusiker. Schwierige Charaktere in einem schwierigen Beruf. Seine Arbeit verrichtet der Orchestermusiker ja in einem besonderen Zustand des Ausgeliefertseins. Er ist ganz und gar seinem Musikdirektor untertan. Wenn auch heute nicht mehr ganz so wie zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, als der Orchesterkontrakt für die Dauer seiner Laufzeit unkündbar war – es sei denn, wie ein damals häufig verwendetes Vertragsmuster vorsah, es treten »Krieg, Brand, Landtrauer, ansteckende Krankheiten, politische Umwälzungen, Teilnahmslosigkeit des Publikums oder sonstige Ereignisse ein«. Aber noch hundert Jahre später sagte der Dirigent Nikolaus Harnoncourt: »Der Orchestermusiker ist notwendigerweise durch seinen Beruf ein verzweifelter Mensch.« In einem Praxisleitfaden zum Orchestermanagement heißt es über den Orchestermusiker: »Er kämpft mit Langeweile oder bekommt einen Widerwillen gegenüber dem ewigen Zwang zu Neuinterpretationen seitens der Dirigenten, ist häufig mit seiner Situation unzufrieden und minimalisier zunehmend sein Erleben im Beruf. Auch gibt es ein wirklich gutes, freundschaftliches Klima in Orchestern meistens nicht.« Es ist im Rückblick also kein Wunder, dass mir die Vorbewohner unseres Hauses einen reichlich durchgeknallten Eindruck machten.
    Der Vollständigkeit halber sei hier jedoch erwähnt, dass eine unlängst an der Technischen Universität Berlin vorgelegte Dissertation zum Thema »Arbeits- und Berufszufriedenheit im Orchestermusikerberuf« zum unerwarteten Ergebnis kam, dass 77,3 Prozent der Orchestermusiker mit ihrer
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