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Die Tänzerin von Darkover - 9

Die Tänzerin von Darkover - 9

Titel: Die Tänzerin von Darkover - 9
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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hatte Kirsten Jegliche Orientierung verloren; sie konnte kaum sagen, wo oben und unten war. Es war alles so verwirrend und entmutigend! Sie wollte nur noch nach Hause »Mutter!« rief sie, »Vater! Bitte, holt mich heim!«
    Kirsten wankte weiter. Vom vielen Rufen blieb ihr die Stimme weg und ihre Kehle schmerzte fast so schlimm wie zuvor, als sie die Skorpionameisen hinuntergewürgt hatte. Ihre Beine verkrampften vor lauter Mattigkeit. Schließlich setzte sie sich, Und zum erstenmal ließ Kirsten den Gedanken zu, sie sei dort in der Küche womöglich gestorben, dort, wo sie Brot buk. Irgend etwas war schief gegangen, und urplötzlich hatte eine klebrige Masse sie bedeckt und erstickt.
    Kirsten richtete sich ruckartig auf und befahl ihren widerstrebenden Beinen aufzustehen. Jemand hatte ihre Namen gerufen! Kirsten war sich dessen sicher. Durch den sie umhüllenden Nebel konnte sie ihn schwach hören, aber sie vermochte nicht die Richtung, aus der das Geräusch kam, auszumachen. Kirsten wandte sich hierhin, neigte den Kopf, dann dorthin. Zu guter Letzt glaubte sie, die genaue Richtung zu kennen, aber als sie sich gerade aufmachte, verstummte das Geräusch. Verwirrt sank sie auf den grauen Boden; ihre Beine verweigerten den Dienst. Es hat keinen Zweck, dachte sie, jetzt bilde ich mir schon Sachen ein. Ich kann nicht mehr!

    Lennart wußte, daß seine Kräfte rasch versiegten und daß er in seinen Körper in Domna Helenes Küche zurückkehren mußte.
    Seinem Herzen folgend wollte Lennart die Suche fortsetzen, aber sein Verstand verlangte, daß er zurückkehrte. Mit der wenigen ihm verbliebenen Kraft befahl Lennart der Macht seiner Gedanken, die Substanz der Überwelt in ein Leuchtfeuer zu formen – ein gleißendes Licht, das die ihm versprochene Braut erreichen und heimleiten sollte. Dann sackte er in seinen Körper zurück.
    Frostige Kälte war das erste, was er bewußt wahrnahm. Lennart mußte sich zwingen, die getrockneten Früchte, die ihm jemand in den Mund steckte, zu kauen. Einzig der Gedanke, daß die Früchte seine verausgabte Energiequelle wieder auffüllen würde, ermöglichte es ihm, die Nahrung aufzunehmen und bei sich zu behalten.
    In der Überwelt schüttelte Kirsten die Benommenheit von sich ab, die ihr wie eine lähmende Kälte in die Glieder gekrochen war. Einen Augenblick lang hatte sie den Eindruck, als ob man ihr eine Fackel vors Gesicht hielt, deren Widerschein die geschlossenen Augenlider rot färbten. Doch dann verschwand auch dies, und Kirsten mußte sich dazu zwingen, aufzustehen und ihre betäubten Beine zu bewegen. Sie war fest entschlossen, dem Licht zu folgen und einen Ausweg aus dieser frostigen Einöde zu finden. Sobald sie sich aufgerappelt hatte, ließ sie ihre weit aufgerissenen Augen über den Horizont wandern, wo Himmel und Erde grau in grau verschmolzen.
    Zunächst konnte sie in der monotonen Landschaft keinerlei Veränderung erkennen, und fast nahm ihr das den letzten Mut.
    Dann aber entdeckte sie ein ganz schwach aufblinkendes Licht. Es verlangte Kirsten alle Kraft ab, derer sie noch fähig war, sich dem Licht einen Schritt zu nähern. Dann noch einen Schritt, und noch einen. Allmählich wurde das Leuchtfeuer heller, und sein Licht munterte sie auf. Sie war also nicht allein in dieser Einöde! Irgend jemand war hier, der ihr den Heimweg weisen würde.
    Sie brauchte scheinbar Stunden, bis sie zu dem Licht gelangte.
    Zunächst noch Schritt um Schritt, dann nur noch auf Händen und Knien kroch sie ihrem Ziel entgegen. Als sie es erreichte, mußte Kirsten erkennen, daß das Leuchtfeuer verlassen dastand. Niemand wartete in seinem Widerschein, um ihr den Heimweg zu zeigen.
    Niemand.
    Kirsten kauerte sich neben dem Leuchtfeuer zusammen und weinte. Es war so ungerecht, daß am Tag ihrer Vermählung mit Dom Lennart alles derart mißlang! Sie hatte sich solche Mühe gegeben, den Heimweg zu finden. Und was würden ihre Eltern sagen? Hoffentlich waren sie nicht allzu aufgebracht. Aber worüber aufgebracht, fragte sie sich; was hatte sie denn schon getan? Mit einem Mal fiel ihr das völlig verunglückte Brot wieder ein, das sie zubereitet hatte. Aber noch ein anderer Gedanke nahm in ihrem angeschlagenen Geist Gestalt an: es war nicht ihre, nicht Kirstens Schuld gewesen; das Gärungsmittel war schuld! Die kleinen Klumpen lebten!
    So erschöpft er auch war, weigerte sich Lennart doch, von Kirstens Seite zu weichen. Marisela brachte ihm Süßigkeiten und getrocknete Früchte, die Lennart
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