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Die Tänzerin von Darkover - 9

Die Tänzerin von Darkover - 9

Titel: Die Tänzerin von Darkover - 9
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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und nervös.
    Am Sonnenstand konnte Orain ablesen, daß sie nahezu eine ganze Kerzenstunde verschwunden war. Als sie wieder eintrat, ging sie gleich zu Jandria, und ihre Augen strahlten vor Glück.
    Dann war er an der Reihe.
    Orain trat einen Schritt auf das kleine Prüfungszimmer zu; vor Furcht war er wie gelähmt. Mit einem Male wurde ihm bewußt, daß dieser Test seine Zukunft auf vielfältige Weise beeinflussen würde.
    Kopfblind zu sein bedeutete, unter den eigenen Verwandten ausgestoßen zu sein, verbannt in die eigene Gedankenwelt.
    Entschlossen klammerte er sich in Gedanken an Carolin und näherte sich langsam dem Zimmer.
    Als er eintrat, schaute der Mann auf. Vielleicht spürte er Orains Anspannung, denn er lächelte ihm aufmunternd zu, während er einige Tropfen einer goldfarbenen Flüssigkeit in einen Kelch fallen ließ. Orain nahm das Gefäß und schnupperte an dem fahlen Inhalt.
    »Es nennt sich Kirian, und es wird dir helfen, deine Gedankenbarrieren zu senken.«
    Orain schluckte den Likör hinunter. Es entstand eine Pause, in der der Tenerezu den Jungen aufmerksam betrachtete; dabei hantierte er mit dem blauen Juwel, den er um den Hals trug – wie hatte Carolin ihn noch gleich genannt?
    »Wie fühlst du dich? Irgend ein Gefühl der Übelkeit?«
    Orain war nur leicht benommen, nichts weiter. Besorgt teilte er dies dem Tenerezu mit. Ohne eire Miene zu verziehen, reichte der Mann ihm einen Edelstein, wie er ihn trug, nur etwas kleiner. Als Orain ihn in Händen hielt, erinnerte er sich an den Namen: es war eine Matrix.
    »Schau in die Matrix. Kannst du irgend etwas sehen oder spüren?
    Konzentriere dich darauf, sie zum Glühen zu bringen.«
    Orain fühlte sich etwas benommen, aber so sehr er sich auch mühte, es wollten keine Bilder erscheinen – der Juwel blieb dunkel.
    Rafael, der Bewahrer, nahm ihm die Matrix sanft aus den Händen.
    Er blickte den Jungen vor sich, der kaum zwölf Jahre alt war, voller Mitgefühl an, und konnte es kaum ertragen, das Unvermeidbare sagen zu müssen.
    »Du besitzt Laran, aber nur in geringem Umfang. Potential ist vorhanden, aber es entzieht sich dem Zugriff. Immerhin wirst du es deinen Söhnen vererben können.«
    Der Knabe blickte ihn nur verbittert an, und Rafael erkannte, daß der Junge, wie er selber auch, ein Ombredin war. »Es tut mir leid«, sagte er, und trotz der Kürze lag echtes Mitgefühl in seiner Antwort.
    Orain glaubte, in Zandrus neunte Hölle hinabgestoßen zu werden.
    Er wollte aufschreien, wollte seinen Zorn und sein Leid den Göttern entgegenschleudern. Doch es kam nicht dazu; die langen Jahre der Erziehung zügelten ihn. Er verneigte sich formell und murmelte
    » Z’par servu, vai dom.« Erst als sich die Tür hinter ihm schloß, stürmte er davon, rannte … und rannte … nach draußen, um sich im Freien zu verbergen.
    Orain ballte die Fäuste. Was sollte er nur tun? Was konnte er noch tun? Ein Kopfblinder war kaum mehr als ein Kralmak, war kaum ein Mensch! Und Carolin! Carolin! Es schnürte Orain die Kehle zu.
    Carolin war sein ein und alles, und er lebte nur für den Tag, da er Carolins Friedsmann werden sollte. Doch nun …
    Bis zum heutigen Tag, bis zu jener verheerenden Enthüllung, hatte es lediglich Rangunterschiede zwischen ihnen gegeben, zwischen Carolin, dem Prinzen, und Orain, dem niedrigen Adligen – doch das war bedeutungslos gewesen, eine kleine Kluft, die leicht zu überbrücken war. Jene Enthüllung aber, kaum eine Stunde alt, hatte nicht nur eine riesige Kluft zwischen ihnen aufgerissen, sie hatte auch tausend weitere Gräben und Brüche hervorgebracht. Selbst Hasturs Erbe konnte das nicht überbrücken.
    Was sollte er denn tun? So konnte er doch nicht zurückkehren! Bei Aldones, nein! Wenn er doch nur ein Vogel wäre, um davonzufliegen!
    Ein Schnauben riß Orain aus seinen Gedanken, und als er sich umdrehte, sah er, wie sein Pferd Stormchaser friedlich auf der kärglichen Weide graste. Davonfliegen konnte er nicht, aber er konnte davonlaufen! In den Satteltaschen hatte er noch Vorräte, die er zuvor gepackt hatte, um mit Carolin zur Jagd auszureiten. Und bei all der Aufregung würde ihn niemand vermissen.
    Wer würde sich schon um ihn Sorgen machen?
    In seinem Elend bestieg Orain den stämmigen Wallach und ritt davon. In die Berge! Nur weg von Hali!
    Wenige Stunden später schlug das Wetter um. Unheilvoll dunkle Wolken jagten über den Himmel; Kälte und Nässe lag in der Luft.
    Dicke, weiche Schneeflocken schwebten träge herab
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