Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Supermarkt-Lüge

Die Supermarkt-Lüge

Titel: Die Supermarkt-Lüge
Autoren: Jörg Zipprick
Vom Netzwerk:
Nordamerika übernommen. Der Schweizer Aromenfabrikant Firmenich hält Exklusivrechte zur weltweiten Vermarktung der Senomyx-Produkte S2383 und S6873. ­Wiederum laut Senomyx wurde mit der Vermarktung im ersten beziehungsweise zweiten Quartal 2011 begonnen.
    Entscheidet sich der Kunde bewusst, Lebensmittel mit ­Senomyx zu konsumieren, etwa um seinen Verbrauch an Salz oder Zucker zu reduzieren, dann ist das in Ordnung. Wird Senomyx jedoch ohne jede Kennzeichnung Nahrungsmitteln zugegeben, um Food-Industriellen Zutaten und damit »einen Haufen Geld« zu sparen, könnte es Verbrauchertäuschung sein.
    Und was Firmenich kann, das kann der Konkurrent ­Givaudan ebenfalls. Zusammen mit Prof. Dr. Wolfgang Meyerhof vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke stellte der Aromenfabrikant 2010 einen spezifischen Bitterblocker vor, »der unter anderem den bitteren Beigeschmack der Süßstoffe ­Saccharin und Acesulfam K mindert. Der Bitterblocker hemmt reversibel sechs von 18 untersuchten menschlichen Bittergeschmackssensoren und könnte künftig zur Geschmacksverbesserung von Getränken oder Medikamenten eingesetzt werden«.
    Jay Slack, Senior Research Investigator, also leitender Mitarbeiter im Forscherteam von Givaudan, ergänzte: »Nicht zuletzt könnten unsere Ergebnisse dazu genutzt werden, das Geschmacksprofil von Fertigprodukten, Getränken und Medikamenten zu verbessern.«
    Ein Mitarbeiter der Firma General Mills mit dem komplizierten Titel »Associate Director Open Innovation ­Europe« tourte 2011 durch Brüssel und erklärte dem staunenden Publikum, dass man künftig »Geschmacksmaskierung« (odour masking) betreiben möchte und »nach Innovationen suchen möchte, die Bitter-Rezeptoren blockieren oder ungewünschte Bitter-Geschmäcker maskieren«. General Mills ist der sechstgrößte Nahrungsmittelkonzern der Welt mit 35.000 Mitarbeitern und bekannt für Marken wie Yoplait, Pillsbury, Green Giant (Géant Vert), Old El Paso, Häagen-Dazs oder Cheerios.
    Irgendwann werden solche Mittel die Geschmackswahrnehmung direkt auf unserer Zunge manipulieren. Gibt es einen Ausweg aus der Lebensmitteltragödie? So lange es am politischen Willen zur Veränderung fehlt, so lange sich miese Waren dank Tiefstpreisen bestens verkaufen, so lange »unabhängige« Experten auf den Lohnlisten internationaler Großunternehmen stehen, wird sich die Ernährungswirtschaft höchstens zum Schlechteren ändern.
    Das »System Ernährung« wird niemand ändern können. Umstellen können wir nur unsere eigenen Gewohnheiten: Es muss nicht alles aus Supermarktregalen kommen, kaufen Sie »gemischt«. Falls in Ihrer Nachbarschaft ein Metzger lebt, der noch selbst schlachtet, dann werden sie lieber bei ihm Kunde: Er kennt die Tiere, er weiß, wie sie verarbeitet wurden. Doch nicht jeder Metzger schlachtet noch selbst. Viele verkaufen allerlei Ware aus dem Großmarkt.
    Sollte es bei Ihnen einen Bäcker geben, der noch selbst backt – nicht nur industrielle Backmischungen einrührt oder Teiglinge aufwärmt – dann kaufen Sie bei ihm. Beim Fachmann kaufen kostet Zeit und Geld. Doch wem es an den fünf Minuten Zeit fehlt, um beim Bäcker oder Metzger Halt zu machen, der sollte sich ernsthaft fragen, wie er den Tag verbringt. Und was das Geld betrifft: Ausgerechnet die »kulinarischen Experten«, zu denen auch gute Fisch- und Käsehändler zählen, sind die Verlierer im ­Lebensmittelhandel. Wer es jedoch wegen der Preisdifferenz konsequent ablehnt, bei guten Handwerkern zu ­kaufen, darf eigentlich nicht klagen, wenn sein eigener Job an günstigere Anbieter ausgelagert wird.
    Mehrkosten können Sie außerdem begrenzen, wenn sie Ihr Einkaufsverhalten ändern. Durch Verzicht auf Markenprodukte aus der Werbung etwa, lässt sich eine Menge Geld sparen. Und vor allen Dingen: Kaufen Sie nichts ­Unnötiges. Nach einer 2012 veröffentlichten Studie der Universität Stuttgart wirft jeder Bundesbürger pro Jahr 81,6 Kilo Lebensmittel weg. »Pro Verbraucher und Tag lässt sich eine Menge von 225 Gramm Lebensmittel errechnen, die in der Tonne landen – das entspricht ungefähr dem Volumen eines durchschnittlichen Frühstücks.« Wegwerfen belastet das Portemonnaie gewaltig. Nach den Stuttgarter Experten wären 47 Prozent der Lebensmittelabfälle
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher