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Die Sündenheilerin (German Edition)

Die Sündenheilerin (German Edition)

Titel: Die Sündenheilerin (German Edition)
Autoren: Melanie Metzenthin
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schweren Wagen anzogen. Dabei war der Hof des Klosters gut gepflastert. Wie mochte es erst auf den Landstraßen werden? Ein Blick zu Ludovika hinüber verriet ihr, dass die Schwester die Unannehmlichkeiten der Reise mit der ihr eigenen Ergebenheit hinnahm. Lena seufzte. Nicht zum ersten Mal beneidete sie Ludovika um ihre Demut. Spielerisch ließ sie die Finger über das Geflecht des Wagens gleiten und spähte aus einer der Öffnungen, die sich neben den Gurtbögen auftaten. Blankes Metall spiegelte die Sonne in den Wagen. Lena wandte den Kopf. Auch auf der anderen Seite ein Arm im Kettenhemd, ein Stückchen Satteldecke. Zu beiden Seiten des Wagens hatten sich die Waffenknechte auf ihre kräftigen Pferde geschwungen. Sie zählte vierzehn Reiter, ein stattliches Geleit. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Welche Gefahr fürchtete der Graf, dass er so viele Männer schickte?
    Unwillkürlich musste sie wieder daran denken, wie man die Gegend nannte. Räuberland. Eine winzige Sorgenfalte grub sich in ihre Stirn. Ludovika bemerkte es nicht. Die junge Nonne schaute mit einem leisen Lächeln auf die vorüberziehende Landschaft, ganz so, als genieße sie es, die engen Klostermauern für eine Weile hinter sich zu lassen.
    Zum ersten Mal in diesem Jahr lag ein Hauch von Frühling in der Luft. Bald wäre der April vorüber, das Osterfest lag bereits zwei Wochen zurück, doch erst langsam sprossen Knospen und Blätter dem Sommer entgegen. Das Singen der Vögel mischte sich mit dem Schnauben der Pferde und dem Rattern der Wagenräder. Wie gern hätte Lena sich ebenso vom Zauber des Frühlings verführen lassen wie Ludovika oder zumindest auf einem der Pferde gesessen, statt sich in dem rumpelnden Wagen durchschaukeln zu lassen. Aber nicht nur der Anstand hielt sie davon ab, dem Wunsch nachzugeben, sondern vor allem der Gedanke an die Welt, die dann so nahe gewesen wäre. Die Bäume, deren Äste sie streiften, die Männer, die aus dem Dickicht hervorbrechen konnten. Denk nicht mehr daran, wie man diese Wälder nennt!, mahnte sie sich immer wieder. Vergebens.
    Die beiden Mägde waren anfangs noch sehr zurückhaltend, nur langsam fassten sie Mut für ein Schwätzchen. Gerda, die ältere, eine stämmige Matrone, erzählte von der jungen Gräfin Elise, der das Mitleid aller gehörte. Nach sieben kinderlosen Jahren hatte Gott sich endlich erbarmt, ihr ein Söhnchen zu schenken, doch zugleich sei die schwere Krankheit über sie gekommen.
    »Welcher Art ist diese Erkrankung?«, fragte Lena, froh über die Ablenkung von den eigenen Gedanken.
    Gerda seufzte. »Schauerlich ist’s anzusehen. Sie stürzt zu Boden, windet sich unter tausend Qualen. Dazu stößt sie die erbarmungswürdigsten Schreie aus.« Sie bekreuzigte sich. »Und wenn es endlich vorüber ist, dann fällt sie in einen tiefen Schlaf, aus dem sie tagelang kaum erwacht.«
    »Es ist der Teufel, der sie quält«, flüsterte Hanne und bekreuzigte sich ebenfalls.
    »Ach, sei doch still!«, fuhr Gerda der jungen Magd über den Mund. »Herr Ewald sagt, der Teufel könne nicht in den Leib eines gottgefälligen Menschen fahren. Und der wird’s besser wissen als du dummes Ding.«
    »Aber Pater Leonhardt hat gesagt…«
    »Nichts hat er mehr gesagt, nachdem Herr Ewald bei ihm war.«
    Hanne schwieg, doch ihr war deutlich anzusehen, dass sie weiter an den Satan im Leib der Gräfin glaubte.
    »Wer ist Herr Ewald?«, fragte Lena.
    »Der Hauskaplan von Birkenfeld. Er war schon der Beichtiger des seligen Herrn Grafen und besorgt nicht nur das Seelenheil. Er führt auch die Bücher des Herrn Dietmar.«
    »Und er verehrt die Gräfin«, fügte Hanne flüsternd hinzu. »Man sagt, er habe dem alten Herrn Grafen zugeraten, die Frau Elise als Schwiegertochter ins Haus zu holen, obwohl der junge Herr Graf…«
    »Halt dein Schandmaul, du freches Mensch!«, schnitt Gerda ihr barsch das Wort ab. »Was willst du schon wissen? Als Herr Dietmar heiratete, hast du noch drunten im Dorf die Gänse gehütet.«
    Hanne schob die Unterlippe vor, sagte aber kein Wort mehr.
    Um die Mittagsstunde legten sie eine kurze Rast ein. Lena fühlte sich steif und ungelenk, die Füße waren ihr eingeschlafen und kribbelten, als sie aus dem Wagen kletterte. Ludovika sprang mit beneidenswerter Leichtigkeit hinterher. Ihr war noch immer nichts von der Mühsal der Reise anzumerken. Hanne und Gerda trugen auf, was sie in ihren Vorratskörben hatten. Köstliche Pasteten, weiches helles Brot und sogar Würste. Schwester
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